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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Alles in allem, so wurde mir berichtet, wärt Ihr deshalb ein wertvoller Mitarbeiter nicht nur für die neue Druckerei in Saint-Dié, sondern auch für das erste große Werk, das die Presse verlassen soll: ein neuer Weltatlas auf der Grundlage der Originale der ptolemäischen Geographia . Was habe ich da gehört, Ihr glaubt, Vespucci hat einen neuen Erdteil entdeckt? Ist das nicht etwas kühn?»
Martin Waldseemüller war es für einen kurzen Augenblick unwohl in seiner Haut, denn noch hatte er die Originale der Vespucci-Briefe nicht in der Hand, auf die er sich hätte berufen können. Doch dann riss ihn die Begeisterung mit, die ihn nun schon so lange trug. Es konnte nicht anders sein. Er zog sein abgenutztes und mit zahllosen Eselsohren versehenes Exemplar von De ora Antarctica aus der Rocktasche, jenen Nachdruck von Mundus Novus, den Matthias Ringmann mit Versen ergänzt und redigiert hatte.
«Hier, Euer Hoheit, hört selbst – es muss so sein. Wenn man von den beschriebenen Sternbildern ausgeht, von der Entfernung und von der Strecke, die Vespucci die Küste entlanggesegelt ist – da steht es, in Vespuccis eigenen Worten, ich lese Euch gleich die entsprechenden Stellen vor. Und dann gibt es als Ergänzung ja noch die portugiesischen Portolankarten, in denen die neu entdeckten Regionen verzeichnet sind. Allerdings sehr unvollständig und als Insel. Doch Vespucci hat keine Insel gefunden, sondern Festland. Das sagt er selbst. Außerdem hat der große Seefahrer meiner Überzeugung nach noch eine andere geniale Entdeckung gemacht. Er hat eine Methode gefunden, die Route und Position eines Schiffes genauer zu berechnen.» Er stockte. «Mit Hilfe der Längengrade», hatte er sagen wollen. Nein, vielleicht sollte er sich doch nicht weiter vorwagen. Dass er auch ahnte, wie der Florentier das machte, behielt er besser für sich. «Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher», fügte er deshalb nur an.
René II. fragte glücklicherweise nicht nach, im Gegenteil. Er hob abwehrend die Hand und lachte. Dieser Magister aus Freiburg gefiel ihm. Er war kein eingetrockneter Gelehrter, sondern ein wissbegieriger Forscher, einer, der quer dachte, der es noch wagte, kühne Träume zu haben. Nun, er hatte wohl auch nicht viel zu verlieren, soweit er informiert war. Außer seinem Leben vielleicht. Und er schien sich wirklich sehr sicher zu sein. «Haltet ein, werter Magister, Ihr müsst mir hier keine Vorlesung halten. Auch wenn es mich noch so sehr interessiert. Das verschieben wir auf ein anderes Mal. Gauthier Lud habt Ihr überzeugt. Das zählt für mich. Ich vertraue auf seine Empfehlung.»
Lud lächelte und machte einen angedeuteten Diener.
«Aber sagt, Ilacomylus, so nennt Ihr Euch doch, könntet Ihr mit Eurem Wissen auch eine Seekarte zustande bringen, eine umfassende carta marina, auf der die Seefahrer erkennen können, welche Route sie mit ihren Karavellen und Handelsschiffen segeln müssen? Ich meine alle Routen über die Weltmeere, nicht nur jene zu dieser Terra incognita, die ja dem Vernehmen nach ein wahres Paradies und voller Schätze sein soll?»
«Natürlich, Euer Gnaden. Ich könnte die Daten, die es bisher gibt, ohne weiteres zusammentragen, abgleichen und daraus eine solche Karte fertigen. Es gibt, wie gesagt, inzwischen einige Portolankarten – Kolumbus und Vespucci sind ja nicht die Einzigen, die über den Atlantik der untergehenden Sonne entgegengesegelt sind. Allerdings entsprechen sie meiner Ansicht nach alle nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Um mich an die Arbeit zu machen, bräuchte ich jedoch dringend noch weitere Vorlagen – und Eure Hilfe, um diese zu bekommen. Alle portugiesischen Portolankarten, derer Ihr habhaft werden könnt. Die Karte, die Juan de la Cosa nach den Ergebnissen der ersten beiden Entdeckungsfahrten von Kolumus zeichnete, die Karte, die aufgrund der Vermittlung von Alberto Cantino entstanden ist, das Werk von Nicolo Caverio, die Darstellung der Küsten nach den jüngsten Entdeckungen der Brüder CorteReal und Cabrals, all das sind Vorlagen, die ich für Vergleiche dringend benötige …» Er brach ab.
Der Herzog von Lothringen betrachtete den Magister Waldseemüller abwägend. «So, aha, eine Seekarte mit den Wegen zu einem neuen Kontinent und über die Meere der Welt könntet Ihr schaffen», meinte er in Gedanken. «In Ordnung, schreibt mir eine Liste all dessen, was Ihr an Vorlagen und Manuskripten benötigt.»
Dann lächelte er ihm zu. «Ich denke, Gauthier Lud hat nicht so

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