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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Schatulle zur Verwirklichung dieses Projektes bei. Da waren große Künstler am Werk, die wunderbare Miniaturen schufen. Die Hauptarbeit leisteten Jean Herbins, der Organist von Saint-Dié, und Octavien le Maires, der Musikmeister. Sie alle hatten den Magister aus Freiburg je nach Charakter und Temperament mehr oder weniger herzlich in ihrem Kreis aufgenommen.
    Jean Basin allerdings wirkte im Moment nichts weniger als begeistert.
    Nicolas Lud ließ sich durch die Schelte des Geistlichen nicht aus der Ruhe bringen. «Ihr seid doch ein Mann der wohlgesetzten Rede, einer, der des richtigen Briefeschreibens kundiger ist als viele. Ist das keine wohlgesetzte Rede und kein gut geschriebener Brief, wenn uns Vespucci sodann mitteilt:
    Die Weibspersonen haben einen sehr wohlgebildeten Leib und sind auch nicht von der Sonne verbrannt, wiewohl vielleicht einige dies glauben mögen; und ob sie gleich sehr dick und fett sind, so sind sie deswegen doch nicht ungestaltet oder übel gewachsen.
    Ich meine unlängst gehört zu haben, die gute Frau, die Euren Haushalt versieht, ist auch recht üppig und wohlgestaltet.» «Nicolas!» So sehr Gauthier Lud seinen Neffen und dessen Witz auch schätzte, das ging nun doch zu weit.
    Jean Basin de Sandaucourt, Magister der Philosophie und der Künste, wurde puterrot. «Ich dachte, ich komme hier in die Gesellschaft vernünftiger Männer, und finde doch nichts als Gotteslästerei und Unzucht. Und von Euch, Waldseemüller, einem Magister der Theologie, hätte ich auch anderes erwartet, als dass Ihr solcherlei Reden noch unterstützt!»
    Martin Waldseemüller fühlte sich ein wenig unwohl in seiner Haut. Ihm war nicht daran gelegen, sich die Feindschaft dieses Mannes zuzuziehen, der ihm ohnehin seit seiner Ankunft schon recht reserviert gegenübergetreten war. Manchmal hatte er sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass Basin eifersüchtig sein könnte, weil Gauthier Lud ihm, dem Neuankömmling, so viel Aufmerksamkeit widmete.
    Er versuchte daher, den Pfarrer zu besänftigen. «Oh, werter Basin, das ist nur eine Stelle in dieser Abhandlung Vespuccis, die zu viel wesentlicheren Passagen führt. Zum Beispiel diese über den Regenbogen, die von großer Gelehrsamkeit zeugt. Hört selbst:
    Auf dieser Halbkugel habe ich einige Sachen erblickt, welche den Meinungen der Weltweisen widersprechen, indem sie gerade das Widerspiel davon und denselben gänzlich entgegen sind. Zum Exempel: Ich habe um Mitternacht einen weißen Regenbogen am Himmel gesehen. Nach meiner Ansicht bekommt derselbe seine Farbe von den vier Elementen: nämlich die rote Farbe vom Feuer, die weiße von der Luft, die grüne von der Erde und die blaue von dem Wasser. Allein Aristoteles ist ganz anderer Meinung. Er sagt: Der Regenbogen sei eine Zurückprallung der Strahlen in den Dünsten der Wolken, die denselben gegenüberstehen. Durch seine Zwischenkunft mäßigt derselbe die Hitze der Sonne; durch seine Auflösung in einen Regen macht er die Erde fruchtbar; und durch seine anmutige Gestalt ziert er den Himmel. Er zeigt an, dass die Luft mit Feuchtigkeit angefüllt sei; daher wird derselbe vierzig Jahre vor dem Ende der Welt nicht mehr erscheinen, welches ein Zeichen von dem Verdorren der Elemente sein wird …»
    « Das ist höchst seltsam. Ist der Regenbogen doch nichts weiter als eine Schöpfung Gottes» – Jean Basin war nicht dumm, er hatte begriffen, dass er sich eher lächerlich machte als Respekt verschaffte, wenn er sich weiter als Spielverderber präsentierte.
    «Ja, nicht wahr? Zwischen der Bibel und den Erkenntnissen der Menschen klaffen so einige Lücken», auch Gauthier Lud war daran gelegen, die Atmosphäre wieder etwas zu entspannen.
    «Hier, es geht noch weiter», mischte sich jetzt erneut Nicolas Lud in das Gespräch:
    «Plinius hinwiederum sagt von den Regenbögen: Man sieht niemals mehr als zwei beisammen. Unterdessen habe ich in diesem Punkte abweichende Beobachtungen gemacht, wie auch noch andere Dinge gesehen, die ich für würdig halte, dass man sie wisse, so: Dass in diesem Lande alle Nacht Dünst und feurige Flammen durch den Himmel fahren. Auch war ich Zeuge, als der Neumond mit der Sonne Zusammenkunft hielt.»
    An diesem Punkt hielt er inne. «Per mercurium, beim Merkur, jetzt habe ich doch über all dem Disputieren völlig vergessen, weshalb ich eigentlich gekommen bin. Onkel, hier ist ein Schreiben von unserem allergnädigsten Herrn, dem Herzog von Lothringen für Euch. Wenn ich mich richtig

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