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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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erinnere, wartet Ihr schon lange auf eine Antwort. Habt Ihr nicht dem Herzog über die Situation in den Minen von La Croix und Chipal berichtet, ihn über den Fortgang der Arbeit dort in Kenntnis gesetzt und auch darüber, wie es mit Euren Plänen weitergegangen ist, einen Weltatlas zu drucken?» Bei diesen Worten grinste er zu Martin Waldseemüller hinüber, der sofort begriff, dass in diesem Brief möglicherweise ebenfalls etwas darüber stehen könnte, was René II. von diesem Neuankömmling in der Runde seiner Gelehrten hielt.
    Gauthier Lud erbrach das Siegel bedachtsam. Auch beim Lesen ließ er sich betont viel Zeit. Martin Waldseemüllers Augen klebten förmlich an Luds Gesicht, doch dessen Miene blieb unbewegt. Dann lächelte er. «Der Herzog von Lothringen wünscht Euch zu sehen, Ilacomylus. Er bittet mich in diesem Schreiben, Euch an den herzoglichen Hof nach Nancy zu begleiten. Er schreibt:
    Und sollte mein Eindruck von der Tüchtigkeit, der Gelehrsamkeit und der untadeligen Persönlichkeit dieses Magisters Waldseemüller ebenso günstig ausfallen wie Euer Urteil, dann bin ich bereit, ihm im Gymnasium Vosagense von Saint-Dié den ihm gebührenden Platz zuzuweisen. Umso mehr, als Ihr mir versichert, dass er für die Herausgabe des neuen ptolemäischen Atlasses nicht nur unentbehrlich sei, sondern ein so herausragender Gelehrter, dass er selbst den Ptolemäus noch verbessern könne.»
    Martin Waldseemüller wurde leicht verlegen, als er diese Zeilen hörte. «Dieses Lob ist zu viel der Ehre», murmelte er. Aber an dem Leuchten in den Augen des Freiburgers erkannte Gauthier Lud, wie sehr dieser darauf brannte, endlich mit der Arbeit an seiner Karte beginnen zu können. Die Waldseemüller-Portolankarte über die westliche Hemisphäre mit den Seefahrtsrouten zu neuen Welten würde das Herzstück dieses epochalen Werkes werden – der ersten Arbeit aus der Presse der geplanten Druckerei von Saint-Dié. Einer Arbeit, die dem Herzog, Saint-Dié und allen Gelehrten, die daran mitgearbeitet hatten, zu ewigem Ruhm gereichen konnte.
    René II., Herzog von Lothringen und Bar, Beschützer und Mäzen des Gymnasiums Vosagense, betrachtete Martin Waldseemüller eingehend. Er wusste nicht so recht, was er von ihm halten sollte. Seine Informanten hatten ihm eine Warnung hinterbracht: Dieser Mann war offensichtlich dabei, sich mit mächtigen Männern anzulegen, deren Verbindungen bis zum Heiligen Stuhl reichten. Nun, er war nicht daran interessiert, sich durch diesen Ilacomylus neue Feinde zu machen. Er hatte an den alten genug. Andererseits konnte es von großem Vorteil sein, einen solchen Kopf in den Reihen seiner Gelehrten zu wissen. Vielleicht war dieser Mann ja wirklich imstande, wozu sich bisher noch nicht einmal Vespucci selbst verstiegen hatte – eine neue Karte der Welt zu schaffen, gar den Ptolemäus umzuschreiben. Sollte stimmen, was dieser Mann behauptete, dann wäre eine solche Seekarte von großem Wert. Auch für den König von Frankreich. Nun gut, dieser Waldseemüller war Untertan des deutschen Kaisers Maximilian, aber offensichtlich wusste dieser den Mann nicht zu schätzen. Und das, obwohl sein Lehrer, der Kartäuserprior Gregor Reisch, der Beichtvater und Vertraute Maximilians war. Außerdem vertraute René II. dem Urteil von Gauthier Lud, der seine Hand für diesen Freiburger ins Feuer legte.
    «Willkommen an meinem Hof in Nancy, werter Lud. Ich sehe, Ihr habt den versprochenen Gast mitgebracht.»
Martin Waldseemüller verneigte sich stumm. Er hatte das kurze Aufflackern des Misstrauens in den Augen des Herzogs bemerkt.
Dieser winkte ihn huldvoll näher zu sich. Er saß auf einem kostbar geschnitzten Armsessel mit vergoldeter Lehne, drei Stufen höher als seine Gäste. Doch nun erhob er sich und ging ihnen entgegen. René II. war mittelgroß, zumindest im Vergleich zu Gauthier Lud. Der Enkel eines Königs, der Bezwinger von Karl dem Kühnen von Burgund in der legendären Schlacht von Nancy, in der er dem König von Frankreich in gewisser Weise sein Reich gerettet hatte, sah eher durchschnittlich aus. Die glatten Haare waren kinnlang und gerade geschnitten, die Waden in den Strumpfhosen wölbten sich prall wie bei einem kräftigen Bauernsohn. Waldseemüller wusste, dass René sein Anjou-Erbe der Krone Frankreichs verkauft hatte – mehr oder weniger gezwungenermaßen. Das hatte der damalige König Frankreichs, Charles VII., vertraglich so geregelt. Es war der Preis für den Erhalt und eine zumindest

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