Der Kartograph
beauftragt, ein Grabmonument für ihn zu errichten.
Giovanni de’ Medici runzelte die Stirn, als er das Schreiben seiner Schwester las. Bilder der gemeinsamen Kindheit zogen an seinem inneren Auge vorbei. Dann seufzte er. Gefühle dieser Art konnte sich ein Mann nicht leisten, der einmal auf den Stuhl Petri wollte. Seine Kindheit war an dem Tag vorbei gewesen, als Lorenzo der Prächtige seinem 13-jährigen Sohn den Kardinalspurpur gekauft hatte. Natürlich nur, damit er der Familie dienen konnte. Nun, er würde der Familie dienen. Auf seine Weise.
Die Antwort von Giovanni de’ Medici an seine Schwester bestand in einem Satz, ohne weitere Anrede. Er kritzelte die Worte einfach auf den Rand von Contessinas Schreiben und versiegelte den Brief dann wieder. Der Satz lautete: «Ich werde es mir überlegen. G.»
«Er hat noch immer die ungelenke Schrift des kleinen Jungen von damals», dachte Contessina de’ Medici, als sie die Worte las. Doch aus dem liebenswerten Jungen war ein Mann mit Macht geworden, einer, bei dem ein Leben nicht viel zählte. Sie dachte an ihre Begegnungen mit Martin Waldseemüller – und hoffte sehr, dass er auf den Vorschlag der Medici einging.
Eine andere Botschaft wurde von Jean Pélerin überbracht. Sie war an Ludwig XII., König von Frankreich, gerichtet. René von Lothringen berichtete darin von einem gewissen Waldseemüller, einem offenbar begnadeten Kartographen. Dieser behaupte aufgrund der Schriften dieses Seefahrers Vespucci, dass es einen weiteren Erdteil gebe. Ob der König von Frankreich an einer carta marina interessiert sei? Außerdem plane er, in Saint-Dié eine Druckerei einzurichten und eine komplett überarbeitete Ausgabe des ptolemäischen Atlasses herauszugeben, was sich mit der geplanten carta marina dieses Waldseemüller ja aufs Trefflichste ergänze.
Ludwig reagierte sofort. Er ließ Pélerin zu sich holen. Sie kannten sich aus jener Zeit, als Pélerin noch seinem Vor-Vorgänger gedient hatte. Der treue Pélerin, der immer bemühte Pélerin, der Kanonikus von Toul, dem das Wohl Frankreichs mehr am Herzen lag als sein eigener Vorteil.
«Dank für die Nachricht aus Saint-Dié, alter Freund. Sie ist sehr wichtig. Es ist nicht das erste Mal, dass Ihr Frankreich einen bedeutsamen Dienst erwiesen habt. Aber sagt, was hat es mit dieser Druckerei auf sich? Soll diese Karte auch dort erscheinen?»
Pélerin sah das Stirnrunzeln des Souveräns sehr wohl, nickte aber dennoch. «Herzog René und sein Sekretär Gauthier Lud sind bereits auf der Suche nach einer guten Druckerpresse und nach diesen neuen beweglichen Lettern – Ihr wisst schon …»
Ludwig winkte ab, sein Gesicht hatte sich noch mehr verfinstert. «Wie Ihr sehr wohl wisst, haben wir hier in Paris ebenfalls eine Druckerei. An der Sorbonne. Ich muss sagen, mir wäre es sehr viel lieber, wenn besagte carta marina dort erscheinen würde. Die Angelegenheit ist zu delikat, eine solche Karte könnte die Begehrlichkeiten der verschiedensten Personen wecken. Es wäre besser, das hier in Paris unter Kontrolle zu haben. Wie sieht es denn mit dem Erwerb der Druckerpresse aus – hat er die Mittel?»
«Ich weiß es nicht, Sire», musste Pélerin einräumen. Außerdem fehlt es noch am Übersetzer.»
«Übersetzer?»
«Mein Freund Lud plant, den gesamten Ptolemäus für den neuen Weltatlas auf der Grundlage der Originale noch einmal übersetzen zu lassen. Es haben sich im Laufe der Jahrhunderte und der Ausgaben einfach zu viele Kopisten und Lektoren mit ihrer Sicht der Dinge darin verewigt. Er will die Originalfassung haben, sie mit Hilfe dieses Waldseemüllers überarbeiten und dann um den neuen Erdteil ergänzen.»
«Und wo bekommt Lud diese Originalausgabe her? Soweit ich weiß, gibt es nur noch wenige Exemplare. Und wer soll den Ptolemäus übersetzen?»
«Lasst mich die letzte Frage zuerst beantworten, Sire. Ein gewisser Matthias Ringmann, ein Elsässer, hat sich gefunden. Er spricht fließend Griechisch, Hebräisch und natürlich Latein. Er hat übrigens an der Sorbonne, der Universität Eurer Majestät, studiert. Erinnert Ihr Euch an die Schrift Mundus Novus Albericus Vespucius Laurentio Petri de’ Medicis salutem plurimam dicit , die in Paris bei Denis Roce und Gilles de Gourmont erschienen ist? Der berühmte Architekt Giovanni di Verona, auch Fra Giocondo genannt, hat den Text ursprünglich vom Italienischen ins Lateinische übersetzt. Jener Mann, der derzeit damit beschäftigt ist, die wunderschöne Brücke Notre
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