Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells
ist durch das Tor gekommen. Ich habe
nämlich Augen wie eine Katze. Diesen Schurken werden wir uns schnappen!«
Ich hatte sie mehrere Jahre nicht
gesehen, aber ich erkannte ihre Silhouette sofort, als sie in den Garten
stampfte, obwohl ihre Hüften jetzt so breit waren, dass man glauben konnte, sie
hätte das Vermögen ihres Bruders in ihrer Unterwäsche versteckt. Sie ließ ihren
schmalen Kopf von einer Seite zur anderen schnellen, als wäre etwas darin, das
sie abschütteln wollte.
Mit knallenden Stiefeln traten zwei
Männer – alle beide Soldaten des Abtes – hinter ihr in den Garten. Sie bewegten
sich langsam.
»Er ist hier«, sagte sie. »In diesem
Garten. Findet ihn.«
Sie sahen gelangweilt hinter Büschen
nach, während sie die Röcke raffte und sich auf die Jagd begab. Sie war die
lauteste Katze, die die Natur je hervorgebracht hat, brach Zweige von
Sträuchern ab, schnaufte vor Anstrengung und fluchte leise, obwohl sie kaum
Luft bekam.
Ich bewegte mich nicht. Ich betete,
dass sie zuerst in der anderen Richtung suchen würden, damit ich quer durch den
Garten und zum Tor hinausflitzen konnte, aber die Soldaten stießen mit ihren
Knüppeln in die Hecken an der Gartenmauer, und Karoline kam mir immer näher.
Dann stand sie vor mir und ihre Hüften machten die Nacht noch dunkler.
»Komm raus!«, befahl sie. »Du bist
festgenommen.«
Und ich kam heraus. Ich sprang so
schnell und geräuschlos um sie herum, dass sie quietschte und auf ihren weichen
Hintern fiel. Ich rannte zum Tor. Aber dort wartete ein Soldat, und als ich an
ihm vorbeikam, hob er seinen Unterarm und erwischte meinen Hals. Ich fiel zu
Boden. Ich würgte und keuchte und war sicher, dass ich nie wieder atmen würde.
Ein Stiefel presste meine Brust nach unten.
Ich hörte, wie sie über den Boden
stampfte. Dann erschien ihr weißes Gesicht über mir, teilweise verdunkelt vom
Planeten ihrer Taille.
»Ein Mönch!«, rief sie.
»Nein, meine Dame«, sagte der zweite
Soldat, dessen müdes Gesicht sich zu den beiden gesellte, die mich von oben
anstarrten. »Nur ein Novize.«
»Welche Schlechtigkeit!«, sagte sie
und wedelte mit dem Finger, als wolle sie die Verderbnis aus meiner Seele
vertreiben. »Aber du sollst dieses Haus nicht beflecken! Nicht, solange ich am
Leben bin! Diese Augen sind immer wachsam. Ich habe das schlechte Gewissen in
ihren Augen gesehen! Das Böse! Das Übel! Und dann noch ein Mönch! Warte nur,
bis der Abt davon hört!«
»Und das wird er«, sagte der Soldat,
dessen Stiefel sich in meine Brust grub. »Gleich morgen früh.«
»Das ist zu spät!«, sagte Karoline.
»Bringt mich sofort zu ihm!«
»Meine Dame, der Abt schläft.«
Im Mondschein sah ich, wie Karoline
den Soldaten mit der gleichen Verachtung ansah, mit der sie mich gerade
betrachtet hatte. »Es handelt sich hier nicht um den lasterhaften Umgang mit
einem Stubenmädchen«, sagte sie würdevoll. »Er gefährdet den Ruf einer Familie
von größter Bedeutung für den Abt. Dieser Junge gefährdet eine Verlobung von
größter Bedeutung für diese Stadt. Bringt mich sofort zum Abt.«
Der Soldat seufzte, aber so leise,
dass gewiss nur ich es hörte. Er griff nach meinem Ellenbogen und zog mich in
die Höhe, als wäre ich aus Stroh. »Wenn du Ärger machst, drehe ich dir den Arm
um«, sagte er und drehte einmal, um sein einschlägiges Können unter Beweis zu
stellen. Er schob mich zum Tor.
»Her damit.« Blitzschnell griff
Karoline nach dem Brief, den ich noch in der Hand hielt. Leider hatte ich
versäumt, ihn zu verstecken.
Sie las ihn.
»Ich sehe keinen Sinn in diesem
erbärmlichen Gestammel«, sagte sie, »aber es scheint mir am besten, wenn wir
diese Mitteilung dort lassen, wo du sie gefunden hast. Sie braucht gar nicht zu
wissen, dass du hier warst. Eine kleine Enttäuschung wird ihr guttun.«
Karoline trampelte durch die niedrigen
Büsche unter dem Fenster und legte den Brief auf den Sims zurück. Ich wollte
meine Liebste rufen und ihr sagen, dass ich gekommen war, dass ich ihr endlich
mein Gesicht zeigen wollte und dass ich immer wieder kommen würde, auch wenn
das mein Tod wäre. Ich drehte mich um und öffnete den Mund: »Am …«
Wie eine Klammer legte sich der
Handschuh des Soldaten über meinen Mund. »Sei ruhig. Du hast schon genügend
Leute aus dem Schlaf gerissen.«
Er zog mich stumm durch die Straßen,
während der andere Soldat vorauseilte, um den Abt zu wecken.
XV.
In einem fensterlosen Keller
der Abtei von Sankt Gallen gibt es eine Zelle,
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