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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L. Harness
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Aberglaube. Irgendwo mußte ein mechanischer Fehler liegen.
    Aber er war nachdenklich. So etwas passierte ihm immer. Und es kam daher, daß die Leute ihn nicht verstanden. Er blieb eine Weile finster brütend sitzen; es gab keinen Zweifel daran, daß niemand ihn mochte – nicht die Firma, nicht Hedgewick, nicht Oldham, nicht Pinkster, nicht Humbert, niemand im Labor, nicht einmal seine Frau und seine Kinder. Aber dann stutzte er und besann sich: Ich mag mich noch. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Empfehlung. So empfinde ich ganz gewiß nicht für jeden x-beliebigen. Genaugenommen wüßte ich eigentlich niemanden, den ich außer mir selbst wirklich mag. Also zum Teufel mit ihnen! Und bei diesem Gedanken stand er auf, ging an die Bar und goß sich einen doppelten Scotch ein.

 
20
Der Hybrid
     
     
     
    „Ich habe soeben das Molekularprofil Ihres Trialins getestet“, sagte Serane. „Es ist so, wie ich es vorausgesagt hatte: Alle drei Aminogruppen befinden sich auf derselben Seite des Ringes.“
    „Auf derselben Seite des Ringes …?“ Paul wußte, daß er auf Seranes Monitor in Pittsburgh wahrscheinlich ein dummes Gesicht machte.
    „Begreifen Sie nicht? Das Trialin, das Sie mit dem neuen Katalysator herstellen, ist ein reines Cis -Isomer und nicht das Razemat, das bei dem alten Hochdruckverfahren herauskam. Deshalb ist es optisch aktiv, und das wiederum bedeutet, daß es auch biologisch aktiv sein müßte.“
    Und jetzt erinnerte er sich. Er mußte eine geistige Blockade gehabt haben. Serane hatte biologisch aktives Trialin gegen das Virus empfohlen, welches Billy vernichtet hatte. Paul hatte diese Möglichkeit sogar an jenem Abend der Holo-Gestalt gegenüber erwähnt. Hatte die Gestalt aus diesem Grunde die Temperatur auf dreihundertfünfundzwanzig verringert? Er starrte auf das Visi. Schließlich sagte er: „Novarella. Natürlich. Wie testen wir es?“
    „Gehen Sie in die Versuchstierabteilung und lassen Sie sich von Dr. Mukerjee helfen.“
    „Affen?“
    „Ja. Als erstes sollten sie versuchen, einen zwei Wochen alten Affenfötus zu bekommen.“
    „Ich weiß nicht …“
    „Fragen sie Mukerjee.“
    „Ja. John.“
     
     
    Mukerjee war einer der letzten von Seranes alter Mannschaft. Nacheinander hatten Seranes Leute begriffen, daß Kussman sie mit einem Fluch belegt hatte, und nacheinander hatten sie die Firma verlassen. Der Personalleiter hatte mit dem, was er Mukerjee angetan hatte, sogar darauf abgezielt, den Wissenschaftler fortzuekeln. Aber Mukerjee war geblieben. Humbert hatte sich etwas einfallen lassen, was er für die größte aller Erniedrigungen hielt: Er hatte einen promovierten Biologen mit der Versorgung der Versuchstiere betraut. Aber Mukerjee empfand überhaupt kein angemessenes Gefühl der Degradierung, im Gegenteil – er blühte auf. Seine neue Aufgabe paßte ihm wie ein Handschuh.
    In gewisser Hinsicht sah er sich selbst als eine Art sannyasin – als einen Heiligen Mann, der außer seiner Bettelschale keine Besitztümer brauchte. Mukerjees Schale war sein Job. Sein persönliches Leben wurde durch das, was er im Labor tat, kaum berührt.
    Er betete zu Vishnu und aß deshalb kein Fleisch. Sein Essen kostete ihn nicht viel. Vor ihren Gebeten hatten seine Vorfahren in einem ghat am Fluß gebadet. Sein ghat war die Dusche. Mit sechzig Jahren war er noch Junggeselle, und wahrscheinlich würde er im Zölibat sterben. Dies war etwas, was ihn gelegentlich beunruhigte, denn er würde keine Kinder hinterlassen, die für seine rasche Wiedergeburt beten konnten. Aber vielleicht würde der Himmel einen Weg finden.
    Wie die meisten Hindus besaß er ein ausgeprägtes animistisches Empfinden. Er fühlte ahimsa, eine geheiligte Verwandtschaft mit allen Lebewesen. Er wußte, daß jedes Geschöpf sein eigenes kaa, seine Seele, besaß, und daß der Mensch in dieser Hinsicht nicht einzigartig war.
    Heute nun, als er mit Paul Schach spielte, kehrten seine Gedanken immer wieder zu einem Gibbonweibchen, einem Albino, zurück. Sie wog zwanzig Pfund und war sein verzogener Liebling. Im Sommer durfte sie sich draußen in einem Käfig mit einem echten Baum aufhalten. Während der warmen Monate saß sie mit Vorliebe auf den oberen Ästen und beobachtete die aufgehende Sonne über dem Wasser des Long-Island-Sundes. Nachts schlief sie auf den unteren Ästen, ohne sich ein Nest zu bauen. Tagsüber jagte sie, wenn das Wetter es gestattete, im Baum umher wie eine pelzige kleine Fee. Hingerissen beobachtete

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