Der Katalysator
gleiten. „Unser kleines Aquarium hier ist ein recht guter Ersatz. Ohnehin sind Mutter und Embryo nicht durch einen einzigen Blutkreislauf miteinander verbunden. Alles Lebensnotwendige – Laktat, Pyrovat, Glukose, Sauerstoff, Aminosäuren – gelangt durch Diffusion aus den Blutgefäßen der Mutter in die des Embryos. Diese Stoffe können wir leicht der synthetischen Embryonalflüssigkeit zusetzen, die wir zu Anfang verwenden. Nach ein paar Wochen würden Kohlendioxyd, Harnstoff und andere Abfallstoffe beginnen, in den Kreislauf der Mutter zu diffundieren. Falls unser Embryo so lange überlebt, können wir eine Dialyse-Einheit anschließen, die solche Verunreinigungen recht effektiv beseitigt. Aber wir brauchen uns noch lange keine Gedanken über Ernährung oder Abfallstoffbeseitigung zu machen. Die Zelle wird noch zwei Wochen gewissermaßen vom Eigelb leben.“ Achselzuckend hob er den Kopf. „Ich glaube, das ist für den Augenblick alles.“ Paul stand auf. „Ich lasse es bei Ihnen.“
Die Sache sprach sich herum. Das Aquarium erregte Aufmerksamkeit. Am dritten Tag kam Kussman wie zufällig vorbeispaziert. Er war voller Neugierde, aber er weigerte sich, einem ehemaligen Serane-Mitarbeiter Fragen zu stellen.
An der Vorderseite des Tanks war nur eine einfache, mit der Maschine geschriebene Karte befestigt:
♀ Hylobates agilis – ♂ Homo sapiens?
Das Fragezeichen war ein Stück weit vom Rest abgesetzt mit Tinte hinzugeschrieben worden, offenbar von einem Skeptiker.
Kussman hörte ein rhythmisches Lup-dup, und in einer der Glasröhren stieg ein beständiger Strom von Luftblasen in die Höhe. Eine Art Luftpumpe, vermutete er. Eine strohgelbe Flüssigkeit tropfte in den mittleren Glasbehälter und lief unten wieder ab.
An diesem mittleren Behälter befand sich auch ein uhrähnliches Anzeigeinstrument, aber anstelle der Ziffern trug es winzige Inschriften. Der Zeiger dieses Instruments wies auf eine der Inschriften: Dritter Tag.
Unbeeindruckt zuckte er die Achseln. Zweifellos irgendeine Albernheit.
Innerhalb der nächsten Woche wurden ihm nacheinander acht Kisten Zigarren zugestellt, alle zu billig zum Rauchen. Eine nach der anderen warf er sie in seinen Papierkorb, aus dem Ed Pulasky, der Hausmeister, sie wieder hervorholte.
Am siebten Tag rief Mukerjee bei Paul an, und Paul begab sich sogleich zu ihm in das Versuchstierlabor. Die dritte Phase, das Novarelle-Experiment, begann. „Vielleicht ist es noch ein wenig früh“, erläuterte Mukerjee, „aber andererseits ist es eine statistische Tatsache, daß diese Retortenembryos keine hohe Lebenserwartung haben.“ Er arbeitete mit geduldiger Sorgfalt. „Zuerst natürlich die Trialin-Kochsalz-Lösung. Eine ordentliche, gesunde Portion, so daß die Konzentration im gesamten Tank mehrere Einheiten pro Million beträgt.“ Er goß zehn Milliliter der Lösung aus einem Meßglas in den Tank. „Und wenn das Trialin funktioniert? Wie funktioniert es? Wer weiß das? Vielleicht nicht einmal Serane. Er redet in Analogien. Vielleicht verhält Novarella sich wie ein Phage, der eine Grundplatte besitzt. Man weiß, daß ein Phagenvirus sich bei seiner zukünftigen Wirtszelle auf einen bestimmten Empfangspunkt setzt, seine Außenhülle zusammenzieht und seinen Kern durch die Zellwand der Wirtszelle drückt, ähnlich wie eine Injektionsspritze. Im Innern der Zelle entfaltet er sodann seinen zerstörerischen DNS-Strang. Mit mikrochemischen Techniken lassen sich die verräterischen Rezeptorpunkte von der Zelle entfernen. Und ihre Zusammensetzung ist bekannt. Chemisch gesehen handelt es sich um ein hohes Polymer des Trialin – nennen Sie es Polytrialin. Hoffen wir also, daß es das wachsende Embryo in einer schützenden Spirale umgibt. Serane hofft, daß das Virus auf das Polytrialin trifft, es für eine Zellwand hält und seine DNS in das synthetische Fruchtwasser entlädt, wo es keinen Schaden anrichten kann.“
Er beugte sich über das Mikroskop. „Ich kann kein scharfes Bild bekommen, wenn der junge Herr Kussman so fröhlich im Tank umherhüpft. Wir können nur hoffen, daß das Trialin die richtige Spirale geformt hat. Jetzt also das Virus.“
Vorsichtig sägte Mukerjee mit einer dreikantigen Feile den Hals einer Glasampulle an, brach ihn ab und goß den Inhalt der Ampulle in den Tank. Wieder schaute er in sein Mikroskop, aber er schüttelte den Kopf. „Ich sehe nichts. Wir werden es morgen auf einen Objektträger bringen müssen. Bis dahin können
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