Der Katalysator
einfach, du hättest vergessen, die Pille zu nehmen.“
„Naja …“
„Und danach vergiß das Rezept nicht. Du mußt das Glyzerin und die Kochsalzlösung hinzugeben, damit die Spermazellen nicht platzen, wenn du die Ampulle in den Flüssigstickstoff wirfst. Ich lege dir alles, was du brauchst, am Abend vorher auf den Tisch und hole es am nächsten Morgen ab. Es ist wirklich ganz einfach.“
„Es klingt nicht sehr romantisch.“
„Bitte.“
„Ich tu’s für dich, Paul.“
Wie alle wahrhaft großen Unternehmungen würde das Trialin-Novarella-Experiment als Liebesakt beginnen.
Einige Abende später kam Paul wieder zu dem ihn schon erwartenden Mukerjee in dessen Büro neben der Versuchstierabteilung. Der Hindu lächelte. „Alles in Ordnung?“
„Ich denke ja.“
„Im Grunde“, meinte Dr. Mukerjee, „ist es nur eine Frage des langsamen und gleichmäßigen Auftauens. Nicht zu heiß. Nicht zu kalt. Und dann muß man es knapp unterhalb der Bluttemperatur halten, bis man es gebrauchen will.“
Paul hielt seinen linken Arm unbeweglich vor der Brust. „Ich habe die Ampulle in der Achselhöhle.“
„Gute Idee.“ Dr. Mukerjee tauchte die kleine Flache lässig in ein Becherglas mit warmem Alkohol, öffnete dann den Verschluß und träufelte einige Tropfen in die winzige Glaskammer, die Liliths Ei enthielt. Dies legte er auf den beheizten Objekttisch des Mikroskops. „Wir müssen die Spermienkonzentration auf ein bis zwei Millionen pro Milliliter reduzieren, damit wir sehen können, was passiert.“
Es war eine ganze Weile still, während Mukerjee ins Mikroskop schaute.
„Nun?“ fragte Paul ungeduldig. „Was sehen Sie?“
Dr. Mukerjee winkte ab. „Geduld. Ich kann das Liebeswerben schließlich nicht kurzschließen. Haben Sie denn kein Gefühl für Romantik? Außerdem glaube ich, der ph-Wert könnte eine leichte Erhöhung vertragen.“ Mit einem Zahnstocher nahm er eine winzige Spur Natriumbikarbonat auf, fügte es behutsam dem linsenförmigen Tropfen hinzu und kehrte an das Binokular zurück. „Die Technik ist im Grunde bekannt und auch nicht kompliziert“, sagte er. „Das Gibbon-Ei hat einen Durchmesser von etwa einem Viertelmillimeter. Es ist relativ kurzlebig, aber solange es lebt, sondert es große Mengen von Fertilin ab, welches die Spermatozoen anlockt wie Honig einen Fliegenschwarm. Diese Sekretion hört erst auf, wenn das Ovum sich mit einem Spermium vereinigt oder wenn es abstirbt. Aber wir wollen sehen, was wir erreichen. Ah ja.“
„Was ist los?“
„Sie tanzen Ringelreihen. Die Spermien bewegen sich durch Schwanzschlangen vorwärts und umkreisen das Ei. Immer wieder. Ganz normales Verhalten. Einmal alle sieben Sekunden.“
„Sind schon welche eingedrungen?“
„Anscheinend nicht. Wenn es einem gelingt, vergräbt es sich natürlich ganz und gar in der Gelatinehülle des Ovums. Der Kopf des Spermatozoons setzt dann ein Lysosom frei, mit dessen Hilfe die Außenhülle des Ovums aufgelöst wird. Dadurch können mehrere Spermien eindringen, aber nur eines von ihnen kann den tatsächlichen Befruchtungsakt vornehmen.“ Er hob eine Hand. „Aha! Das Kreisen wird langsamer. Ich glaube, eines hat die Festung gestürmt. Hier, sehen Sie selbst.“
Paul spähte lange in das Okular und sah dann grinsend zu Mukerjee auf. „Der Teufel soll mich holen. Ich schulde dem Küßchen eine Zigarre.“
„Es war also Kussman? Am Baum der Evolution ein wenig unterhalb von Lilith, aber schließlich kann nicht immer alles perfekt zusammenpassen. Wie …?“
„Fragen Sie nicht“, unterbrach Paul hastig.
„Selbstverständlich, ganz wie Sie meinen. Nun, wollen sehen, wie es vorangeht. Vielleicht sollten wir die Vergrößerung ein wenig erhöhen.“ Mukerjee drehte an der Einstellschraube. „Jetzt sieht man heftige Aktivität. Der Mittelteil des Speratozoons beginnt ein Strahlenmuster zu bilden. Das ist der männliche Stern. Seine Strahlen werden gleich das ganze Ei ausfüllen und es dem Spermanukleus ermöglichen, mit dem Nukleus des Ovums die Zygote zu bilden. Ein eindrucksvoller Augenblick.“ Er sah Paul an. „Nun, ich glaube, wir sind bereit für die zweite Phase. Normalerweise würde unser Zygote sich jetzt behaglich in der Gebärmutterschleimhaut einnisten, und ihre Zukunft wäre gesichert. Das geht in unserem Falle nicht. Wir können sie lediglich in ihr mütterliches Medium transferieren.“ Er nahm die Kapsel vom Objekttisch des Mikroskops und ließ sie behutsam in den Glastank
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