Der Katalysator
A und Strich B.“
„Kein Einspruch“, sagte Kern knapp.
„Damit ist meine Erklärung abgeschlossen. Ich stehe zum Kreuzverhör zur Verfügung.“
Im Grunde hatte er ihnen nichts erzählt. Es war nicht notwendig gewesen, Billy zu erwähnen. Dennoch war es ihm gelungen, einen prima facie- Fall zu schaffen. Alles hing jetzt davon ab, wie gründlich und wie neugierig Ed Kern zu sein beabsichtigte.
„Mr. Blandford, welche Form hat ein Trialinkristall?“
„Es ist ein Orthorhombus.“
„Würden Sie ein Trialinkristall erkennen, wenn Sie eines sähen?“
„Ich denke schon.“
Kern ließ sich von seinem Assistenten ein Tablett reichen. Darauf befand sich etwas, das aussah wie eine Amateur-Mineraliensammlung.
„Ich bitte den Protokollführer“, sagte Kern, „dies als Scheides Beweisstück Nummer eins zur Identifikation zu kennzeichnen und jeweils ein Holo für die Unterlagen und für Mr. Blandford anzufertigen. Das Beweisstück ist nicht-dokumentarisch. Es besteht aus mehreren kleinen Mineralkristallen, die im folgenden als eins a, eins b, eins c und so weiter zu identifizieren sind. Mr. Blandford, würden Sie sich diese Kristalle bitte anschauen? Ich werde Ihnen dann einige Fragen stellen.“
Paul betrachtete sie flüchtig.
„Nun, Mr. Blandford, wie würden Sie die Kristallform eins a bezeichnen?“
„Als orthorhombisch?“
„Und eins b?“
„Orhtorhombisch. Sie sind alle orthorhombisch.“
Kern warf ihm einen raschen Blick zu. „Jedes einzelne?“
„Ja.“
„Ist ein Trialinkristall darunter, und wenn ja, welches ist es?“
„Darf ich sie anfassen?“
„Selbstverständlich.“
„Keines. Eins a ist viel zu schwer. Es ist entweder Anglesit – Bleisulphat – oder Cerussit – Bleikarbonat. Eins b ist Schwefel, leicht und gelblich. Eins c ist Stibnit. Eins d ist Topas. Eins e ist Jod, und ich empfehle Ihnen, es herauszunehmen, wenn Sie die Sammlung dem Patentamt zustellen. Es ist flüchtig, korrosiv, und die Dämpfe sind giftig.“
Kern rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
„Oder“, fuhr Paul fort, „würden sie lieber vereinbaren, daß die Anwälte nicht-dokumentarische Beweisstücke in Ihrem persönlichen Gewahrsam behalten und sie nach Absprache zur Einsichtnahme verfügbar machen können?“
Kerns Augen leuchteten auf. „Ja. Das wollte ich eben vorschlagen. Ich denke, dieses Verfahren ist vorzuziehen. Sie würden dann Ihre Katalysekammer auch nicht nach Washington schicken müssen.“
Paul lächelte grimmig. „Ja“.
„Weiterhin“, sagte Kern, „ist in Ihren Aussagen von tierischer Asche die Rede. Mr. Moulin sprach von einer kleinen Papiertüte mit tierischer Asche. Von welchem Tier stammte diese Asche, Mr. Blandford?“
Jetzt war es soweit. Er wandte sich mit ernstem Gesicht zu Kern. „Es war die Asche meines Bruders William Jennings Bryan Blandford, geboren im Jahre 1972. Er starb 1994 an Novarella. Sein Leichnam wurde verbrannt.“
Es war totenstill im Raum.
Alle starrten ihn an, und ihre Gesichter zeigten unterschiedliche Regungen. Manche wirkten ungläubig. Kern war sehr blaß geworden. Evelyn Haslam erschien zutiefst erschrocken. Kussman klappte seinen Mund auf und zu. Er hatte die Hand an sein Ohr gelegt, als wollte er die eben verklungene Erklärung wieder einfangen, um sicherzugehen.
Und Serane? In den Augen seines Freundes las Paul weder Überraschung noch Grauen. Er sah nur Mitgefühl.
„Mr. Blandford“, bemerkte der Protokollführer leidenschaftslos, „der Streßindex Ihrer Stimme hat einen hohen emotionalen Grad erreicht und läßt darauf schließen, daß Sie vielleicht etwas verloren haben. Handelt es sich um ein Beweisstück? Sollen wir die Sitzung unterbrechen, um eine Bestandsaufnahme der Beweisstücke vorzunehmen?“
„Das wird nicht notwendig sein“, erwiderte Paul mit gepreßter Stimme.
Der Protokollführer schwieg.
Paul wartete darauf, daß Kern etwas sagte. Sie wußten beide, daß Kern an dieser Stelle etwas würde sagen müssen, sei es auch nur um der Deutsche-Anwälte in Hamburg willen, die das Protokoll kritisch auswerten würden. Paul sah ein, daß dies für Kern ein Problem war, denn in der Tat gab es hierauf kaum etwas Intelligentes zu sagen, keine Nachfrage, die den Geist, der vor ihnen erstanden war, vertreiben würde. Fast mußte Paul lächeln. Kern hätte diesen Punkt nicht berühren sollen. Wie es der alte King ihnen immer eingeschärft hatte: Stelle niemals eine Frage, wenn du die Antwort nicht schon
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