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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L. Harness
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kennst.
    Er beobachtete Kerns Augen, während dessen pausbäckiges Gesicht erschlaffte. Er wußte, was Kern dachte: Paul Blandford ist ein Irrer. Aber Kern dachte auch daran, daß es dem Untersuchungsausschuß für Patentüberschneidungen völlig gleichgültig sein würde, wie verrückt Paul Blandford war, solange sein Wahnsinn den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen nicht beeinträchtigte. Kern zählte zwei und zwei zusammen und kam zu dem Schluß, daß seine Leistungen bei diesem Überschneidungsverfahren ihm vermutlich doch keine Vollpartnerschaft bei House und Brackett einbringen würde.
    Kern mußte etwas sagen. Er versuchte Zeit zu schinden. „Weshalb verwendeten Sie die Asche Ihres eigenen Bruders?“ Seine Stimme klang trocken und rauh.
    „Hauptsächlich deshalb, weil innerhalb der wenigen Stunden bis zu Dr. Seranes Abschied keine andere Asche aufzutreiben war.“
    Kern wehrte sich mannhaft. „Sie sagen, Sie waren allein an diesem Abend des neunzehnten Mai? Niemand im Trialinraum sah Sie kommen oder gehen? Niemand hat während des angeblichen Testlaufes die Abteilung betreten? Abgesehen von Ihrem selbstverfaßten schriftlichen Report gibt es für Ihre Aussage nicht die geringste Bestätigung? Habe ich Ihre sogenannte Erklärung richtig verstanden, Mr. Blandford?“
    „Jawohl.“
    „Sind Sie nicht gehalten, der Computerschleife Ihrer Firma über jede Laborarbeit Bericht zu erstatten?“
    „Jawohl.“
    „Haben sie es getan?“
    „Ja.“
    „Und warum haben Sie das Band nicht als Beweismaterial vorgelegt?“
    „Der Computer löscht automatisch sämtliche Daten der Trialin-Testläufe bei atmosphärischem Druck. Es gab ein solches Band, aber als ich das Wort atmosphärisch aussprach, wurde es vollständig gelöscht.“
    Kussman rutschte auf seinem Stuhl hin und her und studierte angelegentlich seine Fingernägel.
    „Mr. Blandford, erwarten Sie allen Ernstes, daß wir diese wilde Geschichte glauben?“
    „Es steht Ihnen frei, sie zu glauben oder nicht – ganz nach Ihrem Belieben, Mr. Kern. Aber ich erwarte allerdings, daß der Untersuchungsausschuß für Patentüberschneidungen sie glaubt. Vielleicht sollte ich außerdem darauf hinweisen, daß dieser Testlauf keine weitere Bestätigung erfordert, da er sich selbst bestätigt. Er ist eine umfassende Umsetzung der Theorie in die Praxis, zwar nicht durch den Erfinder selbst, aber getreu den Anweisungen und ganz und gar im Sinne des Erfinders.“ Er lächelte Kern zu. „Und Sie können den Protokollführer jederzeit um eine Stimmstreßmeldung bitten.“
    „Sie wissen so gut wie ich, daß eine Streßmeldung lediglich beratende Funktion haben kann. Vor dem Ausschuß und bei Gericht ist sie als Beweis nicht zulässig“, erwiderte Kern steif.
    Paul grinste. Er sah das Dilemma, in dem Kern sich befand. Wenn er eine Streßmeldung abriefe und sich dabei erwiese, daß Paul die Wahrheit gesagt hatte, dann wäre es unerheblich, daß sie nur beratende Funktion hatte und als Beweismittel nicht zugelassen war. Das Ergebnis würde ins Protokoll aufgenommen werden, und die drei Patentprüfer würden einen inoffiziellen ratsuchenden Blick auf die beratenden Schlußfolgerungen des Protokollführers werfen. Und Kern konnte sich denken, wie diese Schlußfolgerungen aussehen würden. Wenn er sich ein Glaubwürdigkeitsargument für die Schlußanhörung aufbewahren wollte, dann konnte er jetzt keine Streßmeldung abrufen.
    Kern seufzte. „Keine weiteren Fragen.“
     
     
    Serane wirkte niedergeschlagen, als Paul ihn zum Bahnhof fuhr. Schließlich sagte er schlicht: „Ich wünschte, ich hätte ihn gekannt.“
    Kein Vorwurf. Keine Anklage.
    „Ich bin froh, daß Sie nicht dabei waren. Ich wäre sonst völlig an den Rand gedrückt worden.“
     
     
    Während die Bahn nach New Haven sich langsam in Bewegung setzte, suchte Serane sich einen Sitzplatz und begann ernsthaft über das nachzudenken, was Paul getan hatte. Serane verstand es, obwohl Paul diese ungeheure Tat nicht so sehr für ihn, als vielmehr im Zusammenhang mit ihm getan hatte. Serane kannte die tiefen, unterirdischen Ströme, die die Menschen dazu brachten, Dinge zu tun. Er sah die tote Hand und die konfuse Verwirrung der Identitäten, die Paul bei seiner Tat geführt hatte. Entsprangen alle Freundschaften einem so seltsamen, tragischen Boden? Er wußte es nicht, aber er hoffte, daß es nicht so war.
    Wie Paul erwartet hatte, gab es im Labor beträchtliche Reaktionen. In den folgenden Tagen kam er immer wieder an

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