Der Katalysator
sonst nichts. Es gab keine andere vernünftige Möglichkeit, seine Sache zu vertreten.
Das Problem war die Glaubwürdigkeit.
Am nächsten Tag saß er freundlich plaudernd mit Ed Kern im Anhörungssaal und wartete auf das Erscheinen der Patentprüfer. Der Sachbearbeiter war schon da; er war damit beschäftigt, den Protokollführer vorzubereiten. Die Maschine wandelte gesprochene Rede in Schriftform um und fertigte sechs Kopien an – eine für jeden der drei Prüfer, eine für jeden Anwalt und eine für den Sachbearbeiter.
Die Unterhaltung der beiden Anwälte bestand aus banalen Nichtigkeiten. Was macht die Kanzlei … die Firma … die Familie? Immer noch Junggeselle, Paul? Wie bist du hergekommen? Wo wohnst du? Sie redeten über alles mögliche, nur nicht über den Fall. Über den Fall konnten sie nachher miteinander sprechen.
Sie erhoben sich, als sich am hinteren Ende des Raumes eine Tür öffnete.
King trat als erster ein. Grimmig nickte er den beiden Anwälten zu. Und was sollte das jetzt bedeuten? fragte sich Paul. Er kann doch nicht gegen uns beide entscheiden!
Dann kam Abrams, der beiden flüchtig zulächelte.
Sheila war die letzte. Blaues Kleid, blaue Perücke, blaue Kontaktlinsen, blaue Fingernägel. Ah, Sheila! Sein Herz schlug schneller, als er sah, wie sie zu ihrem Platz auf dem Podium hinaufging. Sie bewegte sich mit der gleichen geschmeidigen Anmut wie damals, als er sie zuletzt in New York gesehen hatte. Man konnte sie für ein Mädchen halten, das eben vom College kam. Wie machte sie das nur? Sie schien einen Zustand von beständiger Blüte konserviert zu haben, einer Art ewiger Jugend.
„Mr. Blandford?“ Das war King.
„Sir?“
„Sie haben dreißig Minuten. Sie können die gesamte Zeit für Ihre Zusammenfassung verwenden. Sie können sich aber auch einen Teil davon für mögliche Entgegnungen aufsparen. Das ist Ihnen überlassen. Würden Sie bitte anfangen?“
„Vielen Dank, Mr. King.“
Er begann mit Seranes Vortrag an jenem Freitagvormittag, der jetzt schon so viele Monate zurücklag, und er berichtete, wie er, Paul, die beiden Komponenten für den Katalysator zur Hand gehabt und sie Bob Moulin zur Präparierung gegeben hatte. „Jawohl“, sagte er, „die Asche war tatsächlich die meines Bruders, und ich bin mir sehr wohl bewußt, daß dieser eine Punkt die Glaubwürdigkeit meiner gesamten Aussage zuschanden machen kann. Denn wer würde so etwas tun? Nun, ich hab’s getan.“ Er fuhr fort und erzählte ihnen, wie er nach Seranes Dinnerparty ins Labor zurückgegangen war, wie er den Katalysator aus dem Trockenofen genommen und den Testlauf durchgeführt hatte und wie er dann Serane angerufen und ihn über den Erfolg informiert hatte.
Inzwischen hatte er seine Geschichte schon so viele Male erzählt, daß er sich manchmal selbst fragte, ob sie sich tatsächlich zugetragen hatte. Ob einer von denen ihm glaubte? Und wenn sie das nicht glaubten, was er ihnen von sich aus erzählte, was würden sie dann erst denken, wenn er ihnen von der Gestalt berichtete, die aus dem Holo-Monitor gekommen war und den Temperaturregler heruntergedreht hatte?
Von Anfang an hatte King, wenn er Paul überhaupt eines Blickes würdigte, ihn mit tiefer Abneigung betrachtet. Sheila lauschte mit offenkundiger Sympathie, aber bei Frauen konnte man nie ganz sicher sein. Und Abrams schaute ihn überhaupt nicht an. Er machte sich gelegentlich Notizen, aber das war der einzige Hinweis darauf, daß er bei der Schlußanhörung des wichtigsten Überschneidungsverfahrens dieses Jahrzehnts überhaupt zuhörte.
Auch Ed Kern hatte sich eifrig Notizen gemacht und den Kopf geschüttelt.
Paul warf einen Blick auf seine Uhr. Allmählich sollte er zum Schluß kommen, wenn er sich ein paar Minuten für Entgegnungen freihalten wollte. „Das ist alles, was ich für den Augenblick zu sagen habe. Ich danke Ihnen.“
Es war unübersehbar, daß Kern entschlossen war, sich sein Honorar zu verdienen. Er war von verheerender Gründlichkeit. Stück für Stück attackierte er Pauls Beweise. Es gefiel ihm nicht, daß mit der Aussage eines Anwalts der Zeitpunkt der Idee und der praktischen Umsetzung belegt werden sollte. Kurz gesagt: Paul verfüge nicht über das notwendige technische Hintergrund wissen, um zu verstehen, was er getan hatte. Es sei auch nicht Aufgabe eines Anwalts, die Verantwortung für technische Angelegenheiten zu tragen. Wenn diese Sache für die Chemischen Betriebe Ashkettles so wichtig gewesen sei,
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