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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian McKinty
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mich auf den Glastisch ihm gegenüber.
    »Reden Sie«, forderte ich ihn auf.
    »Worüber denn?«
    »Erzählen Sie mir alles.«

24
EINE WILDNIS AUS SPIEGELN
    Das gerissene, gut aussehende Raubvogelgesicht grinste. »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Was geschah an Heiligabend 1980?«, fragte ich.
    »Mit Lucy, meinen Sie?«
    »Aye. Mit Lucy. Die Eisenbahn. Die abgebrochene Abtreibung.«
    »Sie wissen davon?«, fragte er überrascht.
    »Sie haben sie geschwängert, und es gab nur eine Möglichkeit. Der Zug zur Fähre. Fähre nach Larne. Zug nach Glasgow. Eine Nacht im Krankenhaus. Zu Weihnachten pünktlich zurück.«
    Seine linke Wange zuckte, die erste winzige Schwachstelle in diesem Kraftfeld der Selbstgewissheit. Wir alle halten ununterbrochen Bilder von uns selbst aufrecht, aber für Freddie musste es um einiges schwerer sein …
    »Ihre Ma beschließt, den Zug nach Belfast zu nehmen, und will Lucy am Barn Halt treffen, aber sie entdeckt sie nicht, weil Lucy auf dem anderen Bahnsteig steht, richtig? Auf der Larne-Seite. Sie wollte nach Larne«, erklärte ich.
    »Ja. Lucy hat noch gesehen, wie ihre Mutter die Rübe aus dem Fenster gesteckt hat, da hat die Arme fast einen Herzinfarkt gekriegt.«
    »Und was hat sie gemacht? Sich im Wartehäuschen versteckt?«
    »Bis der Zug abgefahren war. Ab da brach alles auseinander. Ihre Mutter zu sehen hat ihr einen fürchterlichen Schrecken eingejagt. Wir wollten zusammen mit dem Zug zur Fähre nach Schottland fahren. Ich stieg am Barn Halt aus, abersie war nicht da, verdammt. Sie hat kalte Füße gekriegt. Die Nerven verloren. Schließlich tauchte sie bei mir auf. Ich hätte sie gleich umlegen sollen, aber sie heulte sich die Augen aus, und sie tat mir leid.«
    »Wie lange waren sie beide zusammen?«
    »Ein paar Monate. Keine ernste Sache. Sie war sehr hübsch, aber unter gar keinen Umständen konnte ich mich an die Frau eines Kameraden ranschmeißen, egal ob Ex oder nicht. Die herrschenden Mächte hätten das nicht erlaubt. Die sind sehr konservativ. Und dann wurde sie auch noch schwanger …«
    »Und weigerte sich abzutreiben.«
    »Eine ganz schöne Zwickmühle, hm?«
    »Und was haben Sie in Ihrem brillanten Verstand ausgeheckt, Freddie?«
    »Sie wissen doch, was wir getan haben, Sergeant Duffy.«
    »Aye. Sie ist bei Ihnen eingezogen. Sie haben sie Briefe und Postkarten an ihre Familie schreiben lassen, dann sind Sie in die Republik gefahren und haben sie eingeworfen. Alle dachten, sie würde in Dublin oder Cork oder sonst wo leben, doch in Wahrheit war sie nur einen Steinwurf entfernt und wohnte bei Ihnen – bis sie das Baby bekam, richtig?«
    »War nicht sonderlich beschwerlich. Das Ding sollte nach fünf Monaten auf die Welt kommen. Was waren denn schon fünf Monate? Sie konnte bei mir bleiben, kochen und das Haus putzen. Netter weiblicher Touch. Das Kind kommt zur Welt, wir geben es weg, und sie kehrt zu ihrer Familie zurück, ganz die verlorene Tochter. Und wer weiß, vielleicht könnten wir dann, nach einer angemessenen Zeit und mit Seamus’ Einverständnis, ganz formell eine Beziehung eingehen.«
    »Doch dann ging Seamus in den Hungerstreik. Machte das nicht alles komplizierter?«
    Freddie schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ich wusste,er würde das nicht durchziehen. Er nicht. Dafür hatte er nicht den Mumm. Er saß nur wegen Waffenbesitzes. Dafür stirbt man doch nicht. Aber Lucy war ein wenig beunruhigt. Seamus schloss sich dem Hungerstreik nur wenige Tage vor dem möglichen Geburtstermin an. Ich sagte, sie solle sich deswegen keine Sorgen machen. Ich würde mal mit ihm reden und ihn da wieder rausholen. Und das taten wir auch. Er hat nicht das Zeug zu einem Märtyrer.«
    Ich verstand. Es musste ganz schön anstrengend sein, so lange undercover zu arbeiten, dieses Spiel zu spielen.
    »Der Plan lautete also: Lucy kriegt das Kind, gibt es weg, kehrt zu den Eltern zurück, und keiner weiß, dass sie jemals schwanger war oder dass Sie der Vater sind.«
    »So der Plan. Natürlich würden die Leute schwatzen, und ihre Mutter ist ja eine intelligente Frau, aber ohne einen Beweis … Ich meine, technisch gesehen, waren Lucy und Seamus geschieden. Aber nicht in den Augen der Kirche.«
    »Das hat Seamus auch gesagt.«
    »Die erste Sünde war, sich von ihm scheiden zu lassen. Das war schon schlimm genug. Aber sich dann auch noch von einem anderen Kerl schwängern zu lassen, während ihr Mann sich als Märtyrer für Irland opfert? Nicht gut, mein Freund, gar nicht gut.

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