Der Kaufmann von Lippstadt
er denn jetzt?« Alle schauen sich um, doch Dr. Buddeus ist wie vom Erdboden verschluckt.
Als die Schaulustigen nach und nach wieder ihren Angelegenheiten nachgehen, raunt Buersmeyer im Vorbeigehen Caspar Engerling zu: »Heute Abend bringe ich in Umlauf, dass Ihre Tochter ihre Unschuld verloren hat. Vielleicht sollte ich mich sogar selbst darum kümmern, dann entspricht es der Wahrheit. Ich bin schließlich kein Lügner.«
Diese Drohung trifft Caspar Engerling mehr als die Schläge von Ferdinand Overkamp. »Kommen Sie später vorbei, dann besprechen wir alles«, sagt Engerling mit letzter Kraft und ringt um Fassung. Es wird ihm alles zu viel, so kann es nicht weitergehen. Er braucht einen Plan!
Auf dem Marktplatz stehen die Stadtdiener Pape und Küchenmeier beieinander, die einst wegen der Ursache der Explosion vom Magistrat befragt worden sind.
»Haben Sie gehört, dass der Buersmeyer das Gerücht weitergetragen haben soll, dass unsere toten Burschen – Gott möge ihrer Seele gnädig sein – dem Thiemeyer das Pulver angeboten hätten?«
»Buersmeyer? Bernhard Buersmeyer? Wo der sich überall einmischt! Haben Sie gehört, dass er vorhin schon wieder in eine Schlägerei verwickelt war? Und der Overkamp selbst auch«, berichtet Pape.
»Irgendetwas ist da faul. Mit dem Buersmeyer und dem Overkamp. Der Overkamp soll am Tag der Explosion mehrmals die Lange Straße entlang gelaufen sein, als sei der Teufel hinter ihm her«, berichtet Küchenmeier und fügt hinzu, dass er gar nicht mehr wisse, wer ihm das erzählt habe.
»Was wollen Sie damit sagen?«, hakt Pape nach und sieht in dem Augenblick den jungen Thiemeyer vorübergehen. »Heda, Thiemeyer, komm her! Stimmt es, dass unsere Burschen dir Pulver angeboten haben? Sag schon!«, fordert Pape.
»Ja. Woher wissen Sie das?«, erkundigt sich Thiemeyer. »Ich habe es nur Meister Buddeberg erzählt.«
»Hast du das nicht gehört? Der Buersmeyer hat das in der Stadt erzählt. Nur ihm haben wir die unangenehme Befragung durch Bürgermeister Dr. Rose und Stadt-Syndicus Clüsener zu verdanken.«
»Bernhard Buersmeyer? Woher weiß der denn von dem merkwürdigen Gespräch am Cappel Tor?«, fragt Thiemeyer und bekommt von seinem sichtlich verärgerten Meister einen Schlag in den Nacken.
»Bursche!«, schimpft Bäckermeister Buddeberg. »Ich habe dich nicht zum Plaudern mitgenommen. Hier, trag das und komm mit. Das süße Gebäck muss noch fertig werden«, befiehlt er. »Du bist zu nichts zu gebrauchen. Wie ein Weib stehst du auf dem Jahrmarkt und schwatzt. Geh einen Schritt schneller!«, schreit Buddeberg. »Schneller!«
Jedes Mal, wenn es um das vermaledeite Pulver geht, gibt’s Ärger mit Buddeberg. Und wer ist an allem schuld? Nicht der Plange, sondern der Buersmeyer. Dem sollte man sein Maul stopfen, geht es Thiemeyer durch den Kopf.
»Schneller!«, schreit Buddeberg. »Wir haben noch zu tun!«
»Ja, Meister«, antwortet Thiemeyer kleinlaut.
»Meine Liebe, gefällt es Ihnen? Jetzt haben Sie das schönste Porzellan in ganz Lippstadt«, besänftigt Ferdinand Overkamp seine Gemahlin. »Zürnen Sie nicht«, bittet er, doch Johanna ist wegen der Schlägerei am heutigen Vormittag sehr verärgert. Es schicke sich nicht für einen angesehenen Kaufmann, der auch noch im Rat sei. Das wirklich Schlimme daran ist, dass sie recht hat. Es ist unangebracht für jemanden wie mich, denkt Overkamp und schüttelt über sich selbst den Kopf. Sein Auge ist blau und geschwollen, sein Kiefer schmerzt, und ein Zahn ist sogar abgebrochen.
»Ja, edles Porzellan aus Meißen. Sehen Sie nur die gekreuzten Schwerter mit dem Punkt auf der Rückseite eines jeden Teils. Ich glaube auch, dass hier in Lippstadt sonst niemand Zwiebelmuster hat. Kobaldblau. Es ist wunderschön. Auf den ersten Kaffee aus diesen edlen Tassen freue ich mich schon. Oder wäre Ihnen Tee lieber?«, fragt Johanna.
»Nein, nein. Kaffee ist eine vorzügliche Wahl.« Um des lieben Friedens willen widerspricht er ihr nicht. Und ob Kaffee oder Tee – er hatte wahrlich andere Sorgen.
»Geschliffene Gläser und Karaffen brauchen wir auch noch«, fordert Johanna Overkamp. »Und eine neue Haubenschachtel. Sehen Sie nur, dort gibt es hübsch bemalte. Einen Fächer zu besitzen, wäre wundervoll. Sie sind jetzt so modern, aus Frankreich.«
»Madame«, sagt der Händler, »schauen Sie sich dieses Motiv an: Es zeigt das Urteil des Paris. Neben Paris, dem trojanischen Königssohn, sehen Sie noch die Göttinnen Hera, Aphrodite
Weitere Kostenlose Bücher