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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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findet Buersmeyer es schade, seine Drohung unter Umständen in die Tat umsetzen zu müssen. Andernfalls wäre sie etwas für ihn. Doch verwandtschaftliche Bindungen zum Hause Engerling, nein, das geht wahrlich nicht. Wohl aber eine unverbindliche Liebelei …

23ter August 1764
    »Seit Wochen geht das nun schon so«, schimpft Ferdinand Overkamp. »Seit Wochen besaufen Sie sich jeden Tag mit meinem Alkohol. So werde ich das nicht mehr zulassen. Sie ruinieren mein Geschäft und meinen Ruf dazu. Lungern in der Gasse herum und erzählen den Leuten Geschichten. Sie sind so ein verlogener …«
    »Was?«, schreit Bernhard Buersmeyer. »Was bin ich?« Seit er nach der Schlägerei mit Dr. Buddeus Overkamp vor den Kopf gesagt hat, dass er von der Erpressung, ja, von der doppelten sogar, wisse, ist dieser ganz entgegenkommend. Ferdinand Overkamp sieht nicht, wenn Buersmeyer in die Kasse greift. Er schimpft nicht, wenn sich Buersmeyer Agnes, der jungen Magd, unschicklich nähert. Overkamp nimmt es hin, wenn Buersmeyer mitten am Tag die Füße hochlegt und vor sich hindöst. Overkamp sagt nichts, wenn Buersmeyer eine Flasche mit kostbarem Destillat leert. All diese Annehmlichkeiten gefallen Buersmeyer, sie sollen nicht aufhören.
    »Soll ich Ihnen sagen, was ich nicht bin? Ein Mörder! Sie sind ein Mörder. Mörder! Mörder! – Ich kann das noch lauter rufen, sehen Sie nur aus dem Fenster, es sind viele Menschen in der Stadt unterwegs. Morgen ist Jahrmarkt. Mör…«
    »Halt’s Maul!«, poltert Overkamp.
    Diese leidige Angelegenheit ist völlig außer Kontrolle geraten. Der Engerling stellt immer mehr Forderungen. Der Buersmeyer hat jede Achtung vor ihm, seinem Herrn, verloren und bedient sich an allem. Jede Nacht liegt Ferdinand Overkamp still neben seiner Gemahlin und findet kaum Schlaf. Sobald er seine Augen schließt, sieht er Köpners Blut aus dessen Hals spritzen und hört das dumpfe Geräusch des Aufschlags, als er, Overkamp, den leblosen Körper auf eine Granatenkiste wirft. Und zwei unschuldige junge Burschen hat er auf dem Gewissen. Jede Nacht quält ihn all das – wieder und wieder. Was hat er nur getan? Was ist nur aus ihm geworden? Gestern ist Caspar Engerling schon wieder in sein Kontor gekommen, um etwas ›abzuholen‹. Immer mehr Geld verlangt er. An der Eingangstür ist es zu einer merkwürdigen Begegnung gekommen. Gerade als Engerling gehen wollte, betrat Buersmeyer das Kontor, sah Engerling mit erwartungsfrohem Blick an und grüßte. Doch Engerling ging ohne ein Wort an ihm vorbei. Das machte Buersmeyer anscheinend wütend. Er schaute grimmig drein und sagte kaum etwas. Auch heute hat er den ganzen Tag geschwiegen und die letzte Flasche Danziger Goldwasser gesoffen. Aber seit sich Buersmeyer eben in der Kirchgasse vor dem Hause übergeben hat, kann Ferdinand Overkamp das Fehlverhalten beim besten Willen nicht mehr übersehen. Was sollen die Leute denken?

    »Ferdinand, was schleichen Sie durch das Haus?«, reißt Johanna Overkamp ihren Gemahl aus seinen Gedanken, als er die gute Stube betritt. »Dieser Lärm in den Straßen. Das mag ich an den Jahrmärkten nicht.«
    »Ich dachte, Sie freuen sich?«, wundert sich Ferdinand Overkamp. »Morgen kaufe ich uns Porzellan und Gläser. Wir schauen mal, was angeboten wird.«
    »Agnes sagt, wir brauchen Gewürze – vor allem Zimt. Aber auch Gewürznelken, Pfeffer und gute Lorbeerblätter.«
    »Zimt – den mag ich gerne. Aber achten Sie darauf, dass Agnes nicht zu viel kauft. Diese jungen Dinger können doch mit Geld nicht umgehen. An Dionysius, am 9. Oktober, ist der nächste Jahrmarkt. – Sagen Sie ihr, ich möchte eine Apfelnachspeise mit Zimt. Heute noch«, sagt Overkamp fordernd.
    »Aber es ist doch schon beinahe Abend. Vielleicht …«
    »Ich sagte, heute noch!« Ferdinand Overkamp verlässt die gute Stube und setzt sich ins Kontor. Sein Gesicht vergräbt er in den Händen, und noch immer glaubt er, Köpners Blut an ihnen riechen zu können. Ekel steigt in ihm auf, und er schüttelt sich. »Herr Christ, erbarme dich meiner«, flüstert er. »Herr Christ, erbarme dich meiner. Herr Christ, erbarme dich meiner.« Wieder und wieder spricht er das Stoßgebet. Den Buersmeyer könnte er noch aus seinem Dienste entlassen, aber den Engerling wird er nicht los. Immer größer werden seine Forderungen. Anfangs hat er zwar alles gefordert, sich dann aber mit ein paar Reichstalern und hie und da einem Fläschchen begnügt. Aber seit gestern ist der Engerling

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