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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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würgt Buersmeyer, und seine Augen quellen hervor. Er erstickt langsam. Buersmeyer liegt zwischen Lederresten und abgeschnittenen Fäden. Das Sämischleder saugt das Blut nicht auf, es quillt daneben heraus. Verzweifelt hält Engerling dem Kaufmannsdiener den Mund zu. Wie warm doch Blut ist, wundert er sich. War er je mit Blut in Berührung gekommen, welches nicht sein eigenes war? Nein, sicher nicht. Er hatte sich seine Hände nie schmutzig gemacht, wie sie es immer nennen. Aber jetzt? Wohin mit dem Blut? Das hatte er nicht gut überlegt. Nur gedacht: Ich schlage ihn nieder und trenne ihm die Zunge heraus, dann kann er nichts mehr über meine Tochter sagen. Allein bei diesem Gedanken ist ihm mulmig geworden. Doch dass ihm dieser Gedanke gekommen war, erfüllt ihn mit Stolz: Zur rechten Zeit ein Zeichen setzen … Das Blut quillt aus Mund und Nase. Was soll er nur machen? Ein Ledereimer ist nicht zur Hand. Ein neuer saugfähiger Lappen muss her. Unter der Werkbank befindet sich eine Kiste voller alter Tücher. Die holt er hervor und tauscht Sämischleder gegen Lappen aus. Wie er aussieht! Alles voll Blut, seine Hände, sein Hemd und seine Hose. Über den Boden seiner Werkstatt läuft bereits ein kleines Rinnsal Blut. Es beginnt zu gerinnen. Wie entsetzlich. Auf der Holzkiste haben seine Finger blutige Abdrücke hinterlassen. Das muss alles gereinigt werden. Schnell, sonst trocknet es. Doch Buersmeyer hört nicht auf zu bluten. Er zuckt und würgt wieder. Ein Aufbäumen, dann sackt der Kaufmannsdiener erneut in sich zusammen. Er tauscht nochmals die Lappen aus. Buersmeyer würgt. Als Engerling nach dem Hammer greift, um den Kaufmannsdiener länger ruhigzustellen, fällt sein Blick auf die Ahle. Er schlägt mit dem runden Kopf des Hammers seitlich gegen Buersmeyers Schläfe. Reglos bleibt dieser liegen. Er muss schnell den Mund zunähen, denkt Engerling, dann fallen die Lappen nicht immer wieder heraus. Mit der Ahle sticht er Löcher in die Lippen, nimmt einen gewachsten Faden aus dem Kästchen und zieht von beiden Seiten Nadeln auf. Diese sticht er immer von oben und unten durch dasselbe Loch … Der Mund ist zu, doch das Blut drückt von innen dagegen. Es sickert durch. Er kann es beobachten. Mit so viel Blut hat er nicht gerechnet. Buersmeyer muss fort. Später, in den frühen Morgenstunden, wird er den Kaufmannsdiener in die Lippe werfen oder besser, ihn irgendwo zwischen Lippe und dem Cappeler Bruch vergraben, denn die Sattlerstiche würden ihn verraten. Der Bäumer Wortmeier soll gestorben sein und seine Witwe wird sich in tiefer Nacht nicht hinaus wagen. 77

    Später am Abend, eigentlich ist schon Nacht, versucht sich Engerling im Riemenstechen auf dem Jahrmarkt. Die Lederriemen werden zusammengerollt, und der Jahrmarktspieler hält Engerling eine Klinge hin. »Ich als Schuster werde wohl ein Messer durch die Lagen des Leders stechen können! Zwei Mariengroschen wette ich darauf«, ruft Caspar Engerling zuversichtlich in die Runde. Schließlich hat am heutigen Abend alles in allem gut geklappt. Ein paar Unwägbarkeiten, die aber nicht mehr von Bedeutung sind. Engerling hat erledigt, was er erledigen wollte. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt nun dem Jahrmarktbesuch. Er hat es sich verdient, sich dem kurzweiligen Vergnügen hinzugeben. Jetzt ist Riemchenstechen an der Reihe. Er sticht zu und rutscht ab. Die Schaulustigen schreien auf. »Zwei Groschen«, verlangt der Jahrmarktspieler und hält seine schmutzige Hand auf. Die Umstehenden lachen über Engerlings große Worte, denen dann keine Taten folgen.
    »Ich mache es noch mal. Wieder zwei Mariengroschen«, verkündet Engerling. Bei jedem seiner unzähligen Versuche hat er weder das Geschick noch das Glück. Die Männer lachen, doch als Engerling sie auffordert, doch auch einmal ihr Glück zu versuchen, wollen sie nicht recht. Sie fürchten, sich ebenso bloßzustellen, wie Engerling es selbst soeben getan hat. »Lass uns lieber einen trinken«, schlägt einer vor. Die anderen nicken. Trinken, das können sie alle.
    Neben dem Krugzelt vor dem Rathaus wird das Scheffelspiel angeboten. Auch hier verlässt Engerling das Glück. Wie viele Taler er verloren hat, weiß er nicht. Ich kann mir aber mehr von Overkamp holen, tröstet er sich, es gehört ohnehin bald alles mir. Wenn er mit seinem Plan fertig ist, ist auch Overkamp fertig. Wie einen räudigen Hund wird er den Overkamp aus der Stadt jagen. Das wird der schönste Augenblick in seinem Leben, wenn er, Engerling,

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