Der Keil des Himmels
sollte bei der Befreiungsaktion dabei sein.
Diese Wahl bot aber auch noch einen weiteren Vorteil.
War man erst einmal einem Logenhaus entkommen, so fürchtete der Aussteiger, gewährleistete das noch keineswegs die eigene Sicherheit. Der Aussteiger traute den geheimen Zufluchten der Kutte nicht. Und da es um die Loge des Einen Weges ging, traute die Kutte ihren eigenen geheimen Zufluchten ebenfalls nicht. Es lief darauf heraus, dass der Aussteiger im gesamten Kernland des Reiches, wo die Loge ihre bekannten und unbekanntem, nicht enttarnten Mitglieder überall sitzen hatte, extrem gefährdet war.
General Auric Morante aber zog auf einen Feldzug nach Norgond.
In dieser nordwestlichen Exklave, im Ostzipfel Mittelnaugarien hatte der Eine Weg nie wirklich Fuß fassen können. Nur ein geringer Teil der Bevölkerung war dort zum Inaimismus konvertiert, und die waren zumeist Anhänger des Duomnon-Mysteriums. Der Plan war, dass der Aussteiger nach seiner Befreiung, als Soldat von Aurics Eskorte getarnt, mit Auric zu dessen zur Einschiffung bereiten Schwertbataillon stoßen und mit ihm getarnt nach Norgond reisen sollte. In Norgond sollte der Aussteiger dann, in Aurics Heer versteckt, sicher sein.
„Gefährdet scheint man dieser Tage in Norgond nur zu sein, wenn man Senphore ist.“
„Ja“ erwiderte die Kutte Silgenja auf Aurics Bemerkung, „davon sind wir auch sehr beunruhigt. In dieser Mordserie an Senphoren haben wir bisher noch keine Spur gefunden. Auch Reichs- und Provinzgarde tappen vollkommen im Dunkeln. Selbst die Senphoren dort oben unter Bewachung zu stellen, scheint wenig zu nützen. Einer der Senphoren wurde von zweien ihrer eigenen Skopai bewacht und stand außerdem unter dem Schutz von fünf Reichsgardisten. Trotzdem konnten sie den Mord nicht verhindern. Sie haben den Täter nicht einmal zu Gesicht bekommen.“
Was Silgenja in dieser Angelegenheit zusätzlich mit Sorge erfüllte, so teilte er Auric unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit, war, dass dies über die Jahre nicht die einzigen unerklärlichen Vorfälle waren, die mit den Senphoren zu tun hatten. Immer wieder waren Senphoren unter ungeklärten Umständen verschwunden. Wenn sie sich auf Reisen befanden. Einige Male sogar von innerhalb ihrer Akademiefestung in den Varpassa-Bergen. Und in den meisten Fällen waren es junge Senphora, die sich noch in der Ausbildung befanden.
Silgenja kam auf die bevorstehende Mission zurück.
Die Extraktion sollte in einer schnellen nächtlichen Aktion geschehen. Ein kleines Team, das sich eher auf Heimlichkeit und schnelles, gezieltes Handeln verließ, als auf Kampfstärke. Wenn alles lief wie geplant, sollte es keine direkte Konfrontation geben.
„Und was ist, wenn wir doch auf Widerstand treffen?“
„Dann sind wir die Kutte“, sagte Silgenja. „Niemand würde es wagen, sich die Kutte zum Feind zu machen.“
„Euer Selbstvertrauen ehrt euch.“ Auric war in seinem Lehnstuhl zusammengesunken und hörte sich die Ausführungen mit in die Hand gestütztem Kinn nachdenklich an. „Aber wenn die Loge wirklich so mächtig ist? Alles, was ich hier von Ihnen höre, deutet darauf hin, dass sie im Geheimen noch einflussreicher ist, als Sie bisher vermutet haben. Was, wenn sie sich so mächtig wähnt, dass sie doch glaubt, sich die Kutte zum Feind machen zu können?“
„Jeder, egal wie viel Macht er besitzt, muss die Konsequenzen einer solchen Handlung sehen. Eine Kampfansage gegenüber der Kutte hätte nur Substanz, wenn sie auf einen Staatsstreich abzielt, einen Putsch. Wer sich gegen die Kutte stellt, dem droht entweder die Zerschlagung oder er ist so stark, dass er einen Umsturz oder Bürgerkrieg in Kauf nimmt. Es ist aber die Stabilität Idiriums, die Garant für Sicherheit und Zivilisation im größten Teil der bekannten Welt ist. Welcher Idirer mit einem Gewissen, der sich um das Wohl seines Staates schert, würde das aufs Spiel setzen?“
Auric hoffte aus tiefster Seele, dass die Kutte Recht behielt. „Merkwürdig“, sagte er, „dass gerade Sie, die Sie in ihrer Organisation so viele Einblicke in die Abgründe menschlicher Seelen tun, darauf zählen, dass im Chaos menschlicher Regungen, der Verwirrung von Motivationen, Trieben und Emotionen, gerade hier Gewissen und Vernunft die Oberhand behalten.“
„Menschen können stehlen, morden, sich zum Zweck von Verbrechen oder Verschwörungen zusammentun. Sie können viele unmoralische Dinge tun, aus Egoismus und zu ihrem Nutzen. Oder aus dem
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