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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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aus den Ställen herbeigeführt wurden.  
    An den Wänden ringsum waren Fackeln angebracht, die mit ihrem flackernden Licht dazu beitrugen, der geschäftigen Versammlung vermummter Menschen eine gespenstische Note des Geheimen, Verschwörerischen zu geben. Sie schien nirgendwo weniger fehl am Platze als hier, dachte Auric sich in dem umschlossenen Raum umblickend. Über ihnen war der Himmel ein tiefblauer rechteckiger Ausschnitt gegen die Umrisse des Gebäudes. Der Drachenmond schimmerte wie eine rot glühende Münze zwischen den ersten verstreut erscheinenden Sternen.  
    Einer der Reitknechte, die ebenfalls, wie jeder in diesem Haus, ein Angehöriger der Kutte war, brachte jetzt auch Auric sein Pferd.
    „Nehmen wir unseren Gast zwischen uns. Wir möchten schließlich nicht, dass irgendwelche Unfälle passieren und ihm etwas zustößt.“ Der Anführer ihres Kommandos, den sie nur Schwert nannten, trat zu Auric, nahm den Zügel seines Pferdes und richtete seine Worte an die Kutten ringsum. „Und deshalb“, meinte er dann zu Auric gewandt, „werden Sie sich auch während der ganzen Mission in unserer Mitte halten. Das ist unser Job. Wir brauchen keine Störungen.“
    „Ich kann reiten, und ich kann mich meiner Haut erwehren. Ich war schon einmal in dem einen oder anderen Kampf“, fuhr Auric ihn mit kalter Stimme an, „also machen Sie sich um mich keine Sorgen.“
    Die Kutte starrte ihn eine Sekunde an, und Auric bekam den Eindruck, als würde er ihn aus dem Dunkel seiner Kapuze heraus von oben bis unten mustern.  
    „Aber Sie sind keine Kutte“, sagte Schwert, und seine Stimme klang trocken und leidenschaftslos.
    Der Aufbruch ging danach ohne viel Aufhebens vonstatten. Es gab nicht mehr viel zu reden; alles war vorher schon besprochen worden. Schwert als Anführer gab das Zeichen zum Aufsitzen. Dann hob er die Hand, und sie sprengten durch den hohl hallenden Tunnelgang, der durch das Vorderhaus lief und den Innenhof mit der Straße verband. Das schwere, eisenbeschlagene Tor war aufgestoßen worden, und sie ritten hinaus in die Straßen der Vorstädte des nächtlichen Idiriums, zweiundzwanzig dunkle, in Kutten gehüllte Gestalten. Keiner von ihnen trug ein Licht, nur das Klappern der Hufe ihrer Pferde auf dem Pflaster verkündete ihr Vorbeiziehen.  
    Bürger Idiriums, die in dieser Nacht durch dieses Hufklappern gewarnt, an Häuserwände oder in Torwege zurückwichen, und dann ihre Schar durch die Straßen vorbei galoppieren sahen – heftig nahend wie tief über dem Land rollender Donner, dann fast augenblicklich wieder entschwunden wie ein verwehender Schemen –, mochten sie für eine durch die Nacht donnernde Horde zu ewiger, ruheloser Verdammnis verurteilter Gespenster halten.

    Rufe von Nachtvögeln hallten in der Straße wieder. Ansonsten war es totenstill, bis auf das gelegentliche Huschen einer Ratte die Rinnsteine entlang oder im Gebüsch des Randstreifens. Die Wege des Viertels waren wie ausgestorben.
    Das Logenhaus des Einen Weges war von außen von einer hohen, steilen Mauer wie eine Festung umgeben. An den Ecken und in regelmäßigem Abstand entlang der Seiten ragten, wie um dieses Bild zu vervollständigen, massive Vorsprünge Türmen gleich vor. Stachelbewehrte Gitter auf der Mauerkrone waren dazu angetan, letzte Zweifel zu beseitigen, falls jemand bis dahin die Botschaft, welche das Erscheinungsbild dieses Steinwalls ausstrahlte, noch nicht verstanden hatte.
    Es gab ein Tor, tatsächlich, doch das wirkte, schwer überbaut, mehr Tunnel als Pforte, eher wie ein drohender Rachen, für den Fall, dass man ein Tor als Einladung missverstehen konnte.
    Vom eigentlichen Gebäude war von hier draußen keine Spur zu erkennen.
    Das Logenhaus befand sich in einer Wohngegend mit Anwesen ähnlichen Zuschnitts, manche größer, viele kleiner, einige noch immer als Residenz alter Familien genutzt, manche dagegen leer und verlassen. Doch selbst viele der bewohnten Häuser trugen deutlich die Spuren des Verfalls. Dies war einmal eine gute Wohngegend für reiche Familien von Adel und altem Geld gewesen, doch sie hatte eindeutig ihre besten Tage lange hinter sich gelassen. Es lag eine düstere Stimmung von Öde und Verlorenheit über den verwaisten Straßen. Wer den Schutz von Stille und Abgeschiedenheit suchte, der hatte in diesem Ort eine gute Wahl getroffen.  
    Die fünfzehn Mann ihres Begleitschutzes waren mitsamt ihrer eigenen Pferde zurückgeblieben. Auric staunte, wie die ersten drei ihres Kommandos

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