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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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schattengleich und lautlos zur Mauer des Anwesens huschten. Auf den ersten Metern konnte er die Schemen ihrer dunkelgrauen Gewänder noch verfolgen, dann waren sie mit der Nacht eins geworden. Wie auf ein Signal hin, das Auric verborgen blieb, klopfte die vordere der drei verbliebenen Kutten ihm auf die Schulter, zum Zeichen, dass nun sie an der Reihe waren.  
    Das Gesicht der Kutte war verdeckt, aber die Art des kurzen Schultertippens vermittelte Auric deutlich genug die Zeichen von Ungeduld. Dass er das Signal nicht hörte. Dass er ihn an seinen Einsatz erinnern musste. Dass sie einen Amateur auf diese Mission mitschleppen mussten.  
    Es brauchte ohnehin nicht viel, ihm dieses Gefühl zu vermitteln. Es war allzu leicht, sich angesichts der eingespielten Eleganz der Kutten ungeschickt vorzukommen – wie ein polternder, unbeholfener Barbar aus dem Norden –, als er zwischen den geschmeidigen Kutten hinüber in den Mauerschatten hastete. Ihm schien, seine Stiefel knirschten auf Pflaster und Kieseln, ihre nicht, sein Gewand raschelte, seine Fortbewegung glich der des verstohlen hastenden Mannes, ihre der von huschenden Schemen.  
    Das war es wohl, was Schwert mit seinem selbstgefälligen Kommentar gemeint hatte. Sie waren für solche klammheimlichen Aktionen ausgebildet worden; er hingegen war schlichter Soldat. Trotzdem schwelte in Auric noch immer dumpfer Ärger über die selbstgefällige Art, die der Anführer ihres Kommandos an den Tag gelegt hatte. Mit wütend zusammengebissenen Zähnen lief er hinter den Kutten her. Warum zur Hölle hatte er nur Silgenja zugestimmt, hier als Statist mitgeschleppt zu werden. Warum zur Hölle hatte der Aussteiger eigentlich ausgerechnet ihn als Bürgen gewählt? Gab es außer ihm keine anderen vertrauenswürdigen Leute in Idirium?
    Im Schatten der massiven Mauer aus dunklen Steinblöcken trafen sie wieder aufeinander, Schwert mit den beiden Spähern, Auric mit den restlichen drei Kutten. Ihr stummes Einvernehmen und ihre geübte Zusammenarbeit, die Ökonomie ihrer Bewegungen, das alles griff so glatt und ohne Brüche ineinander, dass man mit ihnen so nah aneinander gedrängt, den Eindruck bekam, als Fremdkörper zwischen einen einzigen vielgliedrigen Organismus geraten zu sein. Während Kutten zu den Seiten hin spähten, entpackten die anderen ihre Ausrüstung. Seile wurden nach oben geworfen, mit Fanghaken, die mit einer Schicht aus einem weichen, nachgiebigen Material überzogen waren. Ihr Auftreffen auf die angespitzten Spieße und das Gitterwerk der Mauerkrone gingen in den anderen spärlichen Geräuschen der Nacht unter. Noch blieben die kleinen, kompakten, aber dank Verbundmaterialien spannungsstarken Armbrüste auf den Rücken der zwei Kutten. Zwei, drei Kutten glitten an den Seilen hinauf – er sah sie schwach gegen den Nachthimmel; wie massige, zusammengekauerte Steinfiguren erschienen sie ihm, als sie dort oben auf der Mauerkrone ankamen und in Bewegungslosigkeit verharrten. Dann war die Reihe an ihm. Neben sich sah er Schatten geräuschlos zur Mauerkrone gleiten. Mit Befriedigung stellte er fest, dass er bei dieser Kletterei gut mit ihnen mithalten konnte. Es war ungewohnt und befreiend eine solche Aktion ohne die behindernde Last eines Hauberts und anderer Rüstungsteile durchzuführen.
    Oben angekommen hatten die Kutten den um das Gitterwerk geschwungenen klingenbewehrten Draht durchgeschnitten – nur für ihn, wie ihm ihre Bewegungen und Gesten deutlich anzeigten. Sie selber schwangen sich behände über das stachelgespickte Gitter. Auric folgte ihnen, zähneknirschend und so elegant es ihm möglich war, über die Krone der Mauer und hinab in ihren inneren Schatten, zwischen das Gestrüpp von ausgedehnten Büschen, das sie vor wachsamen Augen schützte. Vier Kutten schwärmten geräuschlos nach den Seiten aus, um die Positionen der Wachen auszukundschaften, zwei blieben bei Auric zurück.  
    Auric blickte durch eine Lücke im Gebüsch zu dem Hauptgebäude hin. Er sah vor sich die Umrisse eines dunklen, massiven Gebäudeklotzes, schwer und absolut unfiligran, plump, festungsartig. Nicht wenige der Fenster waren erleuchtet. Sie hoben sich als schmale Scharten in dem wuchtigen Mauerwerk des trutzigen Kastens ab. Vorbuchtungen an den Ecken – wie Türme – und in der Mitte – wie ein Vorbau.
    Dazwischen lag viel freies Feld. Ohne Deckung, bis auf ein paar spärliche Bäume oder Büsche. Auric sah zwei Paare von Wachen aufeinander zugehen, ein paar Worte

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