Der Keil des Himmels
zurückliegende Wohnhäuser, die von Baumreihen und Gärten umgeben waren.
Es war eine anstrengende Reise von den Küstenhäfen her gewesen, doch je mehr sie sich Zephrenaic genähert hatten, hatte sich immer mehr ein untergründiges Gefühl erwartungsfroher Unruhe in ihm breitgemacht, das ihn verwunderte und irritierte.
Es ist schließlich nur eine weitere Stadt, eine weitere Stationierung, nichts als eine kleine Provinzhauptstadt in den äußeren Regionen jenseits der Berge, die im Schatten der Gesetze Idiriums fett und genügsam geworden ist und sich jetzt mit den Realitäten ihrer mittelnaugarischen Vergangenheit konfrontiert sieht, in der ihre Nachbarn bis heute leben.
Aber diese Stadt bedeute tatsächlich für ihn auch so etwas wie eine Rückkehr.
War es wirklich erst zehn Jahre her, dass er durch dieses Tor gegangen war, staunend wie der Hinterwäldler, der er damals gewesen war? Konnte es tatsächlich sein, dass zwischen ihm und diesem schon früh von seinen Erlebnissen gezeichneten aber von seinen Illusionen her noch immer grünen, naiven Jungen von gerade einmal 19 Jahren nur die knappe Zeitspanne eines einzigen Jahrzehnts lag? Es kam ihm vor, als trennten ihn und den Auric von damals ein komplettes Leben, eine ganze Welt.
Nein, er würde nicht zu jenem Stadttor gehen, auch an keinem anderen Tag, um es sich anzusehen und den Moment wieder in sich erstehen zu lassen. Genauso wenig, wie er eine bestimmte Kneipe und eine bestimmte Hinterhofgasse aufsuchen würde.
„Wo ist Ku Zwei? Hat er mich vermisst?“, fragte er die an seiner Seite reitende Czand.
„Er ist irgendwo in der Kaserne“, antwortete sie mit leisem Lächeln. „Und ihm geht es gut. Ein Teil der Sechzehnten scheint ihn adoptiert zu haben und kümmert sich um ihn. Aber er vermisst dich immer.“
Vor den Mauern der Kaserne der idirischen Garnison dehnte sich ein Feldlager weit ins ebene Land hinein aus. Disziplinierte Reihen idirischer Soldatenzelte zogen sich so weit er sehen konnte ostwärts auf einen flach den Horizont begrenzenden Kamm dunkel bewaldeter Höhen zu. Nach Norden hin, so hatte Czand ihm erklärt, wurde das Land vom Fluss her sumpfig und gebot der Ausdehnung der Zeltstadt zunächst einmal Einhalt, so dass ein breiter, durch ein Gassenraster gegliederter Streifen entlang einer zentralen Durchgangsachse entstand, der erst, nachdem die Auenlandschaft in entsprechender Entfernung vom Fluss ihren morastigen Grund verlor, nach den Seiten sich ausbreitend ins freie Land auslief, wie die Trichtermündung eines Stroms sich ins Meer ergießt und sich in dessen salzigen Wassern verliert.
Nur ein einziger, wie künstlich aufgeschüttet erscheinender Hügel ragte im Nordosten aus der ebenen Fläche des Landes. Auf ihm konnte man die Umrisse von Ruinen eines gewaltiges Wachturms aus vor-idirischer Zeit erkennen.
Er blickte sinnend entlang der breiten Lehmallee der Mittelachse durch ein methodisch ausgerichtetes Lager, klar und diszipliniert, wie es bei der idirischen Armee üblich war. In regelmäßigen Abständen sah er den Rauch der Kochfeuer aufsteigen, fedrig zerfasernde Säulen, die ebenfalls wie an einem Raster ausgerichtet schienen. Selbst die Feuer des Trosses, der zum Randstreifen hin lagerte, schienen sich dieser Ordnung einzugliedern. Um diese frühe Stunde schien alles verhältnismäßig still. Selbst im Training der Föderiertenbataillone, die Kudai, wie er von Czand gehört hatte, emsig und unermüdlich auf dem sogenannten Exerzierfeld hinter den südöstlichen Lagergrenzen zu einer Einheit schmiedete, war eine Pause eingetreten und der ferne Lärm von Waffenübungen war versiegt. Trotzdem wusste Auric, dass dieses Lager natürlich zu späterer Stunde von den üblichen Aktivitäten soldatischen Lebens pulsieren würde. Die Nachbarn, so Czand, in den besseren Wohngebieten, die gewohnt waren, dass bei regulärer Besetzung der Garnison das soldatische Leben innerhalb der Kasernenmauern blieb oder sich in das angrenzende Vergnügungsviertel im sicheren Bannkreis der idirischen Stadtmauer hinüber zog, waren davon nicht begeistert. Aber Czand hatte es bisher verstanden, sie mit dem Schreckgespenst geplünderter und verwüsteter Häuser und Gärten und Barbarenhorden die ihnen ans Leben und ihren Töchtern an die Unschuld wollten, im Zaum zu halten.
Er fand Ku Zwei in der Nähe des Kasernentores. Selbstvergessen grub er zwischen Büschen irgendwo im Dreck, ganz hingegeben an ein hündisches Projekt. Als Auric ihn von fern
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