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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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wieder zwielichtige Gestalten zwischen den Zeltreihen hindurch schreiten, die zusammengewürfelte Reste von Rüstzeug trugen, willukrische Spitzhelme, löchrige Kettenhemden umschlungen von Fetzen eines Soldatenmantels. Sie wirkten wie vom Schicksal gebeuteltes Söldnervolk. Er bemerkte, wie sich die anderen Menschen an denen sie vorbeigingen verstohlen vor ihnen weg duckten.
    Er spürte, dass sich seine Kiefernmuskeln spannten und fühlte in sich einen Zorn über eine Welt aufsteigen, in der die Elenden die Elenden unterdrückten, in denen Menschenleben, die sich in anderer Umgebung hätten entfalten können, in den Dreck getreten und all die ungelebten Möglichkeiten einfach von Rohheit und ignoranter Kaltschnäuzigkeit erstickt und zermahlen wurden, als hätte es sie nie gegeben, als hätte niemals der Funke eines Anspruches bestanden, dass ein Mensch ein Leben in Würde führen sollte, mit einem Recht auf Glück und der Suche nach seinem Weg.
    Willkommen zurück in Mittelnaugarien!
    Ja, er würde auch heute noch jederzeit wieder einem Meanander, der, um seine Eitelkeit und Ignoranz zu hegen, die Forderung aufstellte, man sollte die Menschen hier doch einfach ihrem Schicksal überlassen, sein adliges, gehätscheltes Näschen brechen.
    Es war nicht seine Aufgabe hier an den Zuständen in diesem Lager etwas zu ändern. Das war Aufgabe der hiesigen Behörden und Verwaltung; damit hatte er nichts zu tun. Aber wenn das, weshalb er hier war, Erfolg hatte, dann würden sich vielleicht einmal grundsätzlich in diesen Ländern die Bedingungen ändern, die zu solchem menschenunwürdigen Elend führten.  
    Solche Lager hast du auch in den Kernländern des Idirischen Reiches gesehen. Elend und menschenverachtende Gier des Menschen lässt sich nicht so einfach abschaffen. Aber vielleicht reicht es, nur die Chancen der Menschen etwas zu erhöhen, dass es nicht zum Schlimmsten kommen muss. Vielleicht ist es schon etwas, nur die Bedingungen zu schaffen, die überhaupt Möglichkeiten zulassen, etwas Besseres zu tun und jemand Besseres zu sein.
    Voraus, dort wo die Reichsstraße auf den Rand der Vorstadt traf und sich mit der Zephrenaic umgebenden Ringstraße kreuzte, erwartete sie ein kleiner Trupp von Reitern in idirischer Uniform. Beim Näherkommen erkannte er Czand an ihrer Spitze, hinter ihr Jag und Crussav. Von den Führern der nach Norgond abkommandierten Brigaden fehlten also nur Kudai und der Beamtenoffizier Perei Doranth, der einzige, der in den höchsten Rängen dieses Kontingents der Sechzehnten vom alten Stab übrig geblieben war. Auric hoffte, dass sein Fernbleiben mit dringenden Tätigkeiten zu tun hatte und kein Zeichen von Respektlosigkeit und einer Animosität aufgrund der Neubesetzungen im Offiziersstab darstellte.
    Als Auric das Zeichen zum Halten der hinter ihm marschierenden Kolonne gab und ihre Pferde voreinander zum Stehen gekommen waren, salutierte Czand vorschriftsmäßig.
    „Melde die Anwesenheit und Bereitschaft aller Truppenteile des Norgond-Kontingents der Sechzehnten am Stützpunkt Zephrenaic.“ Ein leises Lächeln umspielte ihre Augen. „Willkommen in Norgond … General Morante.“  
    Jag warf ihm über ihre Schultern hinweg ein wölfisches Grinsen zu.

    Er hatte bei seiner Ankunft in Zephrenaic keine Gelegenheit jenes Stadttor zu sehen, durch das er vor einem Jahrzehnt zum ersten Mal mit staunenden Augen und großen Hoffnungen im Herzen eine Stadt des Idirischen Reiches betreten hatte.  
    Der Weg seines Schwertbataillons hatte sie entlang des Flusses von Südwesten her zur Provinzhauptstadt geführt; die Kasernen waren am östlichen Stadtrand gelegen. Die ursprüngliche mittelnaugarische Ansiedlung, durch die er damals in die Stadt gelangt war, lag auf der anderen, der dem Fluss zugewandten Seite. Er erinnerte sich daran, dass man eine Brücke überschreiten musste, um in die alte Stadt und dann durch sie hindurch zum Stadttor und der die idirische Neustadt umgebenden Stadtmauer zu gelangen. Diese Außenstadt hatte sich in den Jahren ausgedehnt und umgab nun, mit den gleichen windschiefen Fachwerk- und Backsteinhäusern, die idirisch geprägte Stadt wie ein Ring, der ihnen beim Umreiten des Stadtkerns den freien Blick auf die Stadtmauer verwehrte.
    Je weiter sie auf der Ringstraße die Stadt in östlicher Richtung zu den Kasernen hin umrundeten, umso mehr dünnte diese Siedlung aus und wich einem Gürtel von Gebäuden im idirischen Stil mit einem leichten regionalen Einschlag, von der Straße

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