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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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her anrief, hob er den Kopf und erkannte ihn zunächst nicht. Selbst als er näher kam, hielt er nur den Kopf zwischen den Schultern in seine Richtung hin, ohne ein Zeichen des Wiedererkennens. Er ging näher ran, rief ihn erneut an, was mit einem Wuffen beantwortet wurde. Dann als schien Ku Zwei sich zu besinnen, machte er einen Schritt näher, dann noch zwei. Als Auric erneut seinen Namen rief, war kein Halten mehr.  
    Minutenlang sprang er ohne Unterlass an ihm hoch, leckte ihm quer über das Gesicht, wenn er es mit seinem Sprung erreichen konnte. Als Auric sich zu ihm hinkniete, wimmelte er vor Aufregung zitternd zwischen seinen Armen und Beinen hindurch, kroch über seine Knie, gebärdete sich, als wollte er in ihn hineinkriechen und wusste sich gar nicht zu lassen.
    „Erst kennt er dich nicht, dann bist du das Größte in seiner Welt seit der Erfindung von Rinderknochen. Komische Viecher, diese Hunde.“
    Ohne dass er es bemerkt hatte, war Kudai hinter ihn getreten und grinste auf sie beide herab. Es war ein ungewohnter Anblick, ihn seine Uniform ordnungsgemäß tragen zu sehen. Ungewohnt respektabel.
    „Sie leben das, was sie sind, und sie sind das, was sie leben“, sagte Auric, der sich vor Ku Zwei zu retten versuchte, der ihm hemmungslos das Ohr schleckte. „Die gegenwärtige Nähe zu mir war eine zeitlang nicht vorhanden, also hat der Kleine sie nicht gelebt.“ Er versuchte Ku Zwei zu beruhigen, indem er ihm in kräftigen regelmäßigen Zügen von der Schnauze her die Ohren nach hinten strich. „Aber vielleicht war ihr Vergangensein auch ständig in ihm vorhanden.“
    Kudai sah ihn schief an.
    „Das, was wir gerade sind, leben. Wow, tiefsinniger Scheiß. Es gibt bestimmt einige Menschen, die, wenn sie das könnten, besser dran wären. Aber für die ganze große Herde würde das bedeuten, sie bleiben für immer in der Scheiße stecken, in der sie sind. Und eine Menge von dem, was sich so Mensch nennt, wird wahrhaftig in eine ganz schöne Scheiße hineingeboren.“ Er kratzte sich den Schädel. „Die da oben wären glücklich, wenn‘s so wäre, wenn wir … wie sagst du das? … nur das leben würden, was wir sind.“
    Kudais Blick ging über die Lagerreihen hinweg.
    „Klar“, sagte er, das Gesicht von ihm abgewandt, „wenn wir damals in Kvay-Nan in diesem verdammten Dschungelbecken nicht das gelebt hätten, was gerade Sache war, hätten wir nicht überlebt. Aber wenn wir nicht auch das gelebt hätten, was danach kommt, was wir sein wollten, wären einige von uns aus diesem ganzen Dreck überhaupt nicht rausgekommen.“  
    Er schwieg für einen Moment nachdenklich, grinste dann wieder breit. „Vielleicht ist es das, was uns von den Tieren unterscheidet, stimmt‘s Kutzwei. Dass wir, die wir auf zwei Beinen gehen und uns organisiert abmurksen und fertigmachen, auch das leben, was wir sein wollen. Auch das muss man können.“ Wieder schweifte sein Blick von Auric und dem Kleinen weg. „Und einer Menge Menschen wird man das nie beibringen können.“
    Auric dachte an die gebrochenen Blicke der Menschen in den Zeltlagern draußen vor den Toren der Stadt.

    Die Kaserne platzte aus den Nähten. Einer gewaltigen Masse von Soldaten musste Unterkunft verschafft werden. Alle verfügbaren Räumlichkeiten waren in Quartiere umgewandelt worden
    Wie ein Spiegel dessen war der Raum, in dem sie sich versammelt hatten, gedrängt voll. Die Anführer der Brigaden sowie der einzelnen Bataillone waren hier versammelt. Nach kurzer Zeit schon war die Luft im Raum muffig und verbraucht. Wegen des Platzmangels hatte sich Auric als Besprechungszimmer für seinen Stab, da es ohnehin nur eine temporäre Einrichtung darstellen sollte, mit diesem Raum begnügt. Bis auf zwei Tische und einen Stuhl – die anderen hatte er, um Raum zu schaffen, entfernen lassen – war es unmöbliert. Die etwas unregelmäßigen Backsteinwände waren grob verputzt und vor langer Zeit einmal weiß gestrichen worden. Die Fenster waren kleine Rechtecke, die erst fast auf Augenhöhe begannen, als wäre man in einem Kellerraum, bei dem sich die Höhe der Fenster dem Bodenniveau anpassen muss. Nur die Vorsicht vor möglichen Spionen hatte ihn davon abgehalten, die Besprechung kurzerhand auf dem Dach der Kaserne unter freiem Himmel stattfinden zu lassen.  
    Vor dem einen Tisch, einem schweren, repräsentativen Holzmöbel einer vergangenen Ära stehend, ging sein Blick die Reihen seiner Offiziere entlang, sprang als erstes zu den Gesichtern seiner

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