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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Brigadeführer. Jag lehnte, halb saß er auf dem zweiten Tisch des Raumes und rieb sich sein Stoppelkinn. Czand dagegen stand vorschriftsmäßig vor ihm in erster Reihe. Kudai … – auch der Oberstrang konnte das ewige Grinsen nicht aus dem Gesicht des kleinen Dreckskerls wegwischen. Crussav – er hatte ihn lange nicht mehr gesehen und es machte den Eindruck, die Verantwortung stand ihm gut. Alles Gefährten, die ihn während der Jahre seiner Laufbahn beim Militär begleitet hatten und die er gezielt in seinen Stab gezogen hatte. Vortig, der als einziger seiner alten Gefährten nur Major war, da er einer irregulären Einheit vorstand. Dann war da noch Doranth, das Überbleibsel aus dem alten Stab, der ihn ernst, doch nicht unfreundlich anblickte. Dort hätte er sich eigentlich das Gesicht von Umanákhu gewünscht, doch den konnte nichts auf der Welt mehr herholen. Seine Augen suchten nach Nefraku, er entdeckte ihn unter den Bataillonskommandanten. Er hatte zwar ihren toten Gefährten Umanákhu auf dessen Posten ersetzt, doch traute Auric ihm nicht in dem Maße, wie er dem habburanischen Hünen getraut hatte und hatte sich deshalb nicht für eine Beförderung in die höchsten Ränge seines Stabs ausgesprochen.  
    Er korrigierte sich innerlich: Wäre Umanákhu heute hier unter ihnen, dann hätte er ihm auch nicht mehr uneingeschränkt trauen dürfen. So wie er auch allen anderen nun nicht mehr vorbehaltlos trauen durfte. So wie er eigentlich jedem anderen, alter Gefährte oder nicht, gezwungen war mit einem steten, wachen Misstrauen entgegen zu treten. Er ertappte sich, wie er innerlich eine Liste erstellte, wen er in welchem Maße von seinem Argwohn ausschließen konnte. Sicherlich doch Czand; wie misstraut man jemandem, mit dem man das Lager und seine tiefen Gedanken und Befürchtungen teilt. Und Jag? Er traute dem alten Gefährten, der er gewesen war. Aber nicht dem Alkohol, der dunkle Seiten aus ihm herausholte. Kudai? Der alte Mistkerl war überall dabei gewesen und hatte sich im größten Schlamassel eins gegrinst. Die anderen?
    Es fiel ihm schwer, sich auf die innere Haltung einzustellen und sie zu bewahren, dass jeder einzelne von ihnen ein Agent ihres Feindes sein konnte, jener unbekannten Seite, die auf den Fehlschlag seiner Mission und seinen Untergang hinarbeitete. Er tat sich schwer mit dem Misstrauen gegen Leute, die ihm da draußen während all der Jahre den Rücken freigehalten hatten, mit denen er im Kampf gestanden hatte, Blut und Schweiß und Angst geteilt hatte. Das machte über die Jahre zu so etwas wie einer Familie – jedenfalls so, wie er sich Familie vorstellte. Da draußen musste man sich aufeinander verlassen, da draußen stand man mit seinen Knochen füreinander ein. Da hatte Misstrauen keinen Platz. Da brachte Misstrauen dich oder die anderen um.  
    Du stehst gemeinsam oder du fällst gemeinsam. Darauf lief das ganze jahrelange Training ihrer Kleingruppen hinaus. Ihr kämpft als Einheit und seid bedingungslos füreinander da, oder ihr habt eine Schwachstelle und alles fällt auseinander. Gedankenlos einander vertrauen.
    Aber er, er machte sich Gedanken. Er war gezwungen, sich Gedanken zu machen.
    Die „Politik“, erkannte er, brachte mehr Gefahren mit sich, als er zunächst geahnt hatte.
    Die äußerlichen Verletzungen, die er in Idirium davongetragen hatte, waren während der Reise gut verheilt. Die schlimmsten davon waren noch feuerrote Wülste, die oberflächlichen Narben begannen schon zu verblassen. Er hatte das gute Heilfleisch seines Vaters geerbt.
    Er hörte Czand sprechen, zwang sich, auf ihre Worte zu achten.
    „Ich habe mit dem Provinz-Syndikus und allen erreichbaren Bezirks-Syndizi gesprochen. Ich habe die, die verfügbar waren, alle miteinander in einen Raum gesetzt und sie berichten lassen, damit nicht einer dem anderen widerspricht und die Angelegenheit für sich schön reden will. Ich habe mehr von ihnen in einen Raum bekommen, als unter normalen Umständen – ohne dass man eine Tagung des Syndikariats einberufen hätte – möglich gewesen wäre. Denn die ganzen Syndizi des Nordens haben ihre Bezirkssitze im Stich gelassen und sich, mitsamt der Bevölkerung, die sie gewählt hat, nach Süden geflüchtet.“ Czands dichtes, schwarzes Haar stand in starren, zerwühlten Büscheln von ihrem Schädel ab. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte, während sie sprach, schlichte, gespannte Sachlichkeit. In einem kantigen Bauerngesicht, das nur aus straffen, harten Partien zu

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