Der Keil des Himmels
ein Idirisches Reich oder irgendeine andere Nation, deren König oder Parlament oder wie auch immer Ansprüche auf das Land erheben. Denen ist egal, wer irgendwo eine Grenze gezogen hat und auf welcher Seite davon sie sich befinden. Das hier ist ihre Wildnis. Die waren schon immer hier. Die haben gelernt, hier oben zu überleben. Die leben von dem, was das Land bietet. Jäger, Fallensteller, ein bisschen Anbau, wenn sie irgendwo ein Dach über dem Kopf als festen Stützpunkt haben. Harte Kerle. Du wirst es sehen.“
Jag sah selber ein wenig verwildert aus, irgendwo zwischen unrasiert und kurzem Bart, in dem sich, wenn das schräg einfallende Morgenlicht auf sein Gesicht fiel, ein Kupferhauch fing.
Sie trafen sich mit den Kinvarda eine Stunde entfernt vom Hauptlager von Jags Brigade, im Randbereich eines Waldgebiets, das die Grenze zur eigentlichen, tieferen Wildnis markierte, er und Jag mit ihrer jeweiligen Leibgarde und einem Zug aus Jags Brigade.
„Das war die einzige Möglichkeit, die meisten, um die es geht, zusammenzubekommen“, hatte Jag erklärt. „Naja, sie sind ziemlich gespalten, was ihre Loyalitäten betrifft. Sie sehen sich nicht als idirische Bürger, nicht als Norgondi, nicht als Suevaren. Obwohl sie den Suevaren ähnlicher sind und viele von ihnen auch einen guten Schuss Valgarenblut in den Adern haben. Wenn du hier lebst, dann musst du sehen, dass du hier klarkommst, denn hier kommt dir niemand zu Hilfe. Das heißt, du musst auch irgendwie mit den Suevaren klarkommen. Denn die leben nun mal auch hier, und du wirst ihnen zwangsläufig ab und zu über den Weg laufen. Halt dich gut mit ihnen. Grüß sie, wenn du auf sie triffst. Trink einen Schlauch Bier mit ihnen, rauch ein Pfeifchen. Tausch den letzten Tratsch mit ihnen aus, wer Kinder gekriegt hat, wer auf Raubzug weggeblieben ist. Die meisten sind sowieso miteinander über ein paar Ecken verschwippt oder verschwägert. Manchmal treibst du auch Handel mit ihnen, tauschst was, verkaufst was. Was man so braucht, was man so macht, wenn man in einem dünn besiedelten, rauen Land lebt. Einige machen das mit dem Handeltreiben auch systematisch. Reisen regelmäßig zu Handelsposten, um den Suevaren Pelze oder was weiß ich zu verkaufen und sich eine Woche lang mit ihnen dicht zu saufen. Oder klappern systematisch die Stämme ab, mit einer Ladung Handelsgut auf den Mulis oder auf dem eigenen Kreuz. Alles, was der Suevare selber nicht hat und selber nicht herstellen kann. Stoffe und Schmuck, die edlen Dinge der großen weiten Welt, damit die Damen sich umgarnt fühlen, brav das Herdfeuer hüten und nicht auf dumme Gedanken kommen während der langen Raubzüge. Billiges Parfüm, der Duft von Idirium. Kennst du ja alles.“ In Auric stiegen die Erinnerungen an die Bücher seiner Mutter auf, von denen viele Aurics Vater wahrscheinlich genau von solchen Händlern erstanden hatte. „Die Suevaren? Du teilst mit ihnen das Land, also sollte man sich nicht gegenseitig auf die Füße treten.
So sehen das die meisten.
Die haben nicht die Spur von Interesse daran, uns irgendwie zu helfen. Denen ist es lieber, wenn wir eher früher als später wieder von hier verschwinden. Und wenn Bauern und Siedler vertrieben werden, umso besser. Ist man wieder unter sich. Fällt auch an Wild und Fellen wieder mehr für einen ab.
Von der Sorte wirst du heute auch einige treffen.
Versuchen, die zu überzeugen, hat keinen Zweck. Wir sollten uns nur ein Bild von ihnen schaffen, um sie einschätzen zu können und zu sehen, wo wir unsere Pappenheimer haben. Damit wir keine großen Augen machen, wenn einer davon uns in den Rücken fällt und den Suevaren irgendwas verrät, von dem wir nicht wollen, dass sie‘s wissen.
Ein anderer Teil von ihnen kann die Suevaren nicht ausstehen. Warum auch immer. Einer ist mit seiner Cousine dritten Grades durchgebrannt und war schlecht zu ihr und hat sie geschlagen. Weil sie sich als Idirer fühlen und als nichts als Idirer, und wenn es gegen die Feinde der Idirer geht, sind sie dabei. So was gibt‘s. Weil ein Suevare seinem Bruder bei einer Schlägerei ein Auge ausgehauen hat. Weil er einfach keine Suevaren ausstehen kann.
Mit solchen Leuten können wir arbeiten, und sie helfen uns auszukundschaften, wo sich die Suevaren rumtreiben. Manchmal geben sie nur Nachrichten weiter, manchmal gehen sie für uns auf Erkundungstour, manche führen auch unsere eigenen Erkundungstrupps in die Wildnis.
Und dann gibt‘s noch die, die wirklich hart drauf
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