Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
bräunlich, stumpf grünen Bewuchs von Moosen und Flechten.
    Menschen auf den Feldern richteten sich bei ihrem Auftauchen zunächst alarmiert auf, kehrten dann aber, nachdem sie die idirischen Uniformen erkannt hatten, beruhigt an ihre Arbeit zurück. Hornstöße ertönten von den Hügeln ringsum, kündeten ihre Ankunft.

    Die Stadt Kaigrant war die einzige größere Stadt so weit im Norden, ein einsamer Vorposten einer eher norgondisch als idirisch geprägten Stadtkultur. Sie war bisher von den Raubzügen der Suevaren unangetastet geblieben. Während sie ringsumher wie ein Wurm durch einen Apfel plündernd und mordend durch das Land zogen, war Kaigrant das harte Herz des Kerngehäuses. Die Suevarenhorden raubten gewinnbringend das fette Umland aus. Dies war ein leichteres, ertragreicheres Ziel als eine gut und stark befestigte Stadt. Eine Stadt bedeutete einen viel zu großen Aufwand; Belagerungen sind langwierig und ihr Gelingen, mit einer Aussicht auf Beute am Ende, äußerst ungewiss. So etwas zahlte sich selten aus.  
    Das ganze Elend und Grauen von Mord, Blut, Verstümmelung, Gräueltaten, durch eingeschlagene Schädel, zerhacktes, verbranntes Fleisch, aufgeschlitztes Gedärm, Verbluten, durch brutale Vergewaltigung beendeter Leben wurde davon regiert, was sich am Ende rechnet. Die Knochenmühle des Mordes wurde, selbst hier, wo es sich bei ihren Schergen einfach nur um wilde, streunende Nordlandhorden handelte, angetrieben vom Profit. Was für ein in seiner stumpfen Wahrheit, seiner pragmatischen, offenkundig daliegenden Sinnfälligkeit, seiner ganzen Banalität grauenvoller Gedanke.
    Kaigrant war zu einem Hafen der Sicherheit für Flüchtlinge aus dem Umland geworden. Die Stadt platzte folglich aus den Nähten, die Straßen wimmelten und dunkler Handel gedieh offen im gedrängten Gewühl von Vorratssäcken, auf der Straße unter fadenscheinigen Unterschlupfen campierender Menschen, feilschenden Hökerern, Unrat und Ungeziefer. Der Gestank der Fäkaliengruben hing wie ein Sumpf schweren miasmatischen Nebels in den Gassen. Nur ein kleiner Teil der Stadtbewohner hatte sich in den Süden geflüchtet; die meisten waren, sich auf die Hoffnung stützend, dass die Stadt auch weiterhin unangetastet bleiben würde, in Kaigrant verblieben.
    Der Syndikus von Kaigrant, von seinem Äußeren her ein schwarzborstiges Fass von einem Gewaltmenschen, wand sich.
    Auric hätte ihm auch gleich sagen können, dass er gar nicht erwartet hatte, von ihm eine aus den Bewohnern von Kaigrant zusammengestellte Truppe zur Verstärkung seiner Armee zu erhalten, aber er konnte einfach nicht widerstehen noch ein wenig zuzuschauen, wie er, zunehmend bleich unter seinem Blick, sich in seinem schweren, mit Schnitzereien verzierten Amtsstuhl krümmte, elend lavierend nach matten, fadenscheinigen Ausflüchten fischte.
    „Es sieht nach einer guten, einer soliden Stadtmauer aus, aber sie will bemannt werden.“ Er rieb mit den runden, bleichen Gürkchen seiner linken Hand mechanisch immer wieder die Lehne seines Stuhls entlang, als müsse diese unbedingt poliert werden, während die Nägel seiner Rechten sich über die Außenseite der Armstütze zwischen die Hohlräume des Schnitzwerks gruben und versuchten kleine Stücke und Schnitzer heraus zu pulen. „Und wir wissen alle, eine Stadtmauer hält sich nicht von alleine. Sie steht und fällt mit den Männern, die auf ihr Trutz bieten. Meiner Person ist die Sicherheit meiner Bürger anbetraut, und es macht mich stolz, – so sehr ich natürlich den Mangel an freiwilligen Meldungen für eine Bürgerwehr zur Landesverteidigung betrauere – dass ihre Treue zunächst ihrer, unserer Stadt gilt, die …“ Blabla, rassel, schmirgel, schepper!
    Auf diese elende Truppe konnte er ohnehin verzichten.
    Er hatte auf dem Vorplatz des Syndikariumshauses ihren armseligen Aufmarsch gesehen. Erbärmliche, abgerissene Gestalten, die in der Verwirrung, eine gerade Reihe aufbauen zu müssen, über ihre Füße stolperten und sich verloren an ihren Pieken festhielten, dann noch zwielichtiges, verzweifeltes Volk, dem er zur Vesperzeit nicht einmal seine Lieblingsratte, geschweige denn im Kampf die Mitverantwortung für das Leben seiner Soldaten anvertraut hätte.
    Er war begierig darauf, endlich zu Jag zu kommen und die anderen zäh verbliebenen Bewohner diese Niemandslandes in Augenschein nehmen zu können.

    „Sie nennen sich Kinvarda, Wildlander.
    Weil die Wildnis hier im Norden ihre Heimat ist, nicht Norgond oder

Weitere Kostenlose Bücher