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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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ungeordnet, zu schwer in ihrer Gesamtheit greifbar, als dass sie durch solche Eingriffe wirklich hätte Schaden nehmen können. Die neue Sechzehnte aber, eine reguläre, im Verband operierende Einheit, dagegen war für solche Manipulationen anfällig.
    Sie wären der Todesstoß für das, was die Sechzehnte in ihrem Kern darstellte, für die Idee dessen, was sie war und was sie sein könnte. All seine Bemühungen, seine Reformen, seine Umstrukturierungen, die lange Zeit des Trainierens, der endlosen Versuche, des Schleifens und Feilens wären mit einem Mal zunichte. Alles sinnlos.
    Aber es war nicht nur seine eigene Arbeit, seine eigenen Bestrebungen, die auf dem Spiel standen.  
    Die Bemühungen der Progressiven und Reformer – allen voran Makuvan –, die durch ihn notwendige und wünschenswerte Veränderungen durchsetzen wollten, waren gefährdet. Der Feldzug und „das was noch kommen sollte“, das ganze Schicksal Mittelnaugariens, standen auf dem Spiel. Die Eingliederung der mittelnaugarischen Länder als neue Provinzen ins Idirische Reich. Die Schicksalsfrage von menschenunwürdiger Barbarei oder aufgeklärter Zivilisation für die Bevölkerung dieser von Elend und Unterdrückung heimgesuchten Länder.
    Er lief an einem Kanal entlang, auf dem jetzt mit der Dämmerung der Schiffsverkehr zur Ruhe gekommen war. Keine fahrenden Schiffe, keine Rufe der Schiffsleute mehr. Nur das ferne Knarren von Tauen, das rhythmische Klimpern von Ringen und Ösen lag als Hintergrundgeräusch unablässig und beständig über dem leisen Plätschern von Wasser an Kanalmauern und dem Geräusch seines eigenen Atems. Jenseits, in der Ferne hinter Dockanlagen, flackerten jetzt die ersten Lichter auf, das typische Licht von Ölfackeln, eine Reihe von ihnen, nah beieinander, einige in Bewegung. Die Umrisse von Deckaufbauten, von Masten und Takelage schälten sich im diffusen Weben der verschiedenen Lichtquellen heraus. Wahrscheinlich eine Mannschaft von Schauerleuten bei ihrer Spätschicht, die dort noch die Ladung eines spät hereingekommenen Schiffes löschen musste.  
    Steigerte er sich da in seinem Grimm auf diese ganze verfluchte Sache mit Nefraku nur in etwas hinein? Oder lastete all diese Verantwortung tatsächlich auf seinen Schultern? Sollte all das am seidenen Faden hängen, nur, weil dieser kleine Bastard Nefraku seine dreckigen Geschäfte durchzog? Musste er sich deshalb beeilen und dessen   geldgierigen Hals aus der Schlinge ziehen? Musste er sich selber deshalb gegen die Ordnungsgewalt des idirischen Staates stellen und deren Bemühungen durchkreuzen, nur um diesen durchtriebenen, abgewichsten Bastard zu retten, damit er weiter seinen kriminellen Geschäften nachgehen konnte?
    Denn genau darauf lief es hinaus.
    Er musste eine kriminelle Handlung begehen – Strafvereitelung – um das große Ganze nicht zu gefährden.  
    Er hoffte nur, dass er nicht zu spät kam und diesen verdammten Nefraku rechtzeitig fand.

    Bei näherer Betrachtung stellte sich seine Aufgabe als keineswegs so einfach dar, wie Kudai sie hatte erscheinen lassen.
    Das Gebäude, in dem die Drogenübergabe stattfinden sollte, war eine Diaphanum-Manufaktur, ein großes mehrstöckiges Backsteingebäude. Schwer und geduckt in staubig flacher Nüchternheit kauerte es über den Wassern einer breiten, zu dieser Tageszeit inzwischen stillen Fahrrinne, zu seiner Flanke hin gesäumt von einem Wirrwarr von Landungsbecken, Kranaufbauten, Brücken und Laufstegen. Das Erdgeschoss war fensterlos, die Öffnungen der oberen Stockwerke waren schmale, hohe Schlitze.
    Ein erster Blick auf das Gebäude, ein kurzer Gang zu den Seiten hin, enthüllte ihm nichts Auffälliges. Die Arbeit in der Manufaktur war für den Tag seit langem vorbei und das Gebäude stand dunkel und verlassen da. Keine Spur von irgendjemandem.
    Die eine Schwierigkeit bestand in der Frage, wie er bei einem so unübersichtlichen Terrain Nefraku am sichersten abfangen und warnen konnte. Das zweite Problem bestand darin, dass – beim zweiten Nachdenken – sich nach professionellem Ermessen die Reichsgarde schon in dem Gebäude befinden und auf der Lauer liegen musste. Um den Ausgang einer solchen Aktion nicht leichtfertig zu gefährden, war es wichtig, dass die Falle bereits perfekt stand, lange vor dem vermuteten Zeitpunkt, an dem die Zielperson sich in der Nähe des Zugriffsortes zeigen sollte.
    Verdammt, seine Aufgabe erforderte Vorsicht, doch er stand unter Zeitdruck und hatte zu wenig Informationen.

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