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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Korruption der Instanzen und Parteien dar, die an den alten Zuständen profitierten. Alle anderen damit verbundenen Herausforderungen baulicher Art waren dagegen unerheblich. Die Entfernung von Idirium zum Meer war gering, der Höhenunterschied durch die Hügelschwelle südlich der Hauptstadt war bei geschickter Anlage gut durch Staustufen zu bewältigen, und außerdem konnte man einen Kanal so bauen, dass er für eine möglichst große Zahl von Schiffstypen befahrbar war und sich so nicht nur der Weg verkürzte, sondern auch den Warenstrom erhöhte.  
    In der Folge des Kanalbaus hatte sich in der Niederung, wo der Kanal auf den Fluss traf als natürliche Entwicklung ein neues Hafenviertel gebildet, das wucherte und immer neue Ausbauten erfuhr, bis schließlich dort ein labyrinthhaftes Netz von Kanälen, Zufahrtsrinnen und Staubecken gewachsen war, von Menschenhand geschaffene, steingefasste Wasserwege für Schuten, Kähne und Barkassen, Wannen in denen die Frachtschiffe und Plätten Rumpf an Rumpf nebeneinanderlagen, Fleete, durch die Feluken und zweimastige Ewer in unablässiger Prozession eng zwischen den hohen Backsteinmauern der Stapelhäuser und Manufakturen hindurchfuhren, hoch von Brücken überwölbte Durchstiche zwischen Gebäudespalten und verzweigte Anlagen von Liegeplätzen zum Löschen der Ladung zur Zwischenlagerung oder direkter Weiterverarbeitung.  
    Zwar hatte Kudai ihm den Ort genau bezeichnet, wo er Nefraku abfangen sollte, dennoch stellte es für Auric eine Herausforderung dar, durch dieses Labyrinth von Straßen, Gassen, Kanälen und Brücken, das ineinandergreifende, sich durchkreuzende Miteinander der beiden Netze von Land- und Wasserwegen seinen Weg zum beschriebenen Punkt auch tatsächlich zu finden, gerade jetzt bei zunehmender Dunkelheit. Immer wieder versperrte eine Wasserfläche, den eigentlich direkten Weg, immer wieder erwies sich der Weg zwischen den verschachtelten Anlagen von Backsteingebäuden, über Brücke und Stege als komplizierter als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Immer musste er Leute, denen er begegnete, nach dem Weg fragen, um dann wieder weiter zu hasten und Nefraku dabei aus tiefster Seele zu verfluchen. Und sein Zorn und seine Beunruhigung wuchsen mit jeder neuen Phase des Innehaltens und Nachfragens und des folgenden gehetzten Weitereilens noch mehr in ihm an.
    Was hatte ihnen dieser rattengesichtige Mistkerl mit seinen miesen kriminellen Machenschaften da nur eingebrockt? War es sich darüber überhaupt im Klaren?
    Das, was Kudai an jenem Abend des blutigen Handgemenges am Ufer gesagt hatte, dass Umanákhus Nachfolger sie in eine „ganz schön beschissene Situation“ gebracht habe, kratzte nur die Oberfläche. Und die Situation war gerade dabei zu eskalieren.
    Am liebsten hätte er Nefraku dermaßen kurz und klein geprügelt, dass seine eigene Mutter ihn nicht mehr erkannt hätte. Am liebsten hätte er ihn ganz einfach der Reichsgarde überlassen, damit sie ihm nach Strich und Faden den Arsch aufriss. Genau das war es, was Nefraku verdient hatte.
    Genau das war es aber auch, was er auf keinen Fall zulassen durfte.
    Es ging nicht hier nicht nur um den Widerstreit zwischen dem Nicht-Dulden-Können, dass ein Offizier seiner Einheit in kriminelle Umtriebe verstrickt war, und andererseits der Loyalität gegenüber einem Mitstreiter der Sechzehnten. Wir kämpfen miteinander, wir stehen zueinander, wir siegen miteinander. Die Sechzehnte ließ keinen der ihren im Stich.
    Hier stand viel mehr auf dem Spiel.
    Die Konsequenzen, wenn herauskäme, dass ein Offizier der Sechzehnten in Drogenhandel verstrickt war, wären gerade in der jetzigen Situation verheerend. Ihren Feinden im Lager der Konservativen würde das genau die Waffen in die Hand liefern, die sie brauchten.
    Gegen ihn, als neuen Kopf der Sechzehnten. Natürlich. Aber auch gegen die Sechzehnte selber.
    Er konnte sich das Szenario lebhaft vorstellen. Gründliche Säuberungen, Umstrukturierungen nach strengem – konservativem – Muster. Von einer Reform würde dann nichts mehr übrig bleiben. Ein altgedienter Beamter würde an der Spitze einer auf schwerfällige Korrektheit gestutzten Sechzehnten in Norgond einrücken.
    Und gerade das, was als richtunggebende Neuerung für die Sechzehnte geplant war, eröffnete ihnen dafür die Handhabe. Die alte Sechzehnte, das unorthodoxe Sammelbecken für allerhand irreguläre Einheiten, die nach Belieben an verschiedenen Stellen einsetzbar waren, war zu anarchisch und

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