Der Keim des Verderbens
gehört. Und der Müllcontainer könnte von einer Baustelle stammen. Die entsorgen nämlich den Müll von ein paar Baustellen an der South Side von Richmond. So was wär' doch ein guter Ort, um eine Leiche loszuwerden. Man braucht bloß nach Feierabend mit dem Wagen da vorzufahren, das kriegt keiner mit.«
»Haben Sie das Investigator Ring erzählt?« fragte ich.
Haß verdunkelte sein Gesicht. »Dem erzähl' ich nichts mehr. Der hat alles bloß getan, um mich reinzulegen.«
»Wie kommen Sie darauf, daß er Sie reinlegen will?«
»Irgend jemand muß er ja wegen dieser Sache verhaften. Er will der große Held sein.« Plötzlich begann er herumzudrucksen. »Er hat gesagt, alle anderen hätten sowieso keine Ahnung.« Er zögerte. »Auch Sie nicht.«
»Was hat er sonst noch gesagt?« Ich merkte, wie ich kalt und hart wie Stein wurde, wie immer, wenn mein Ärger sich in grenzenlose Wut verwandelte.
»Wissen Sie, als ich ihn durchs Haus geführt habe, da hat er die ganze Zeit geredet. Er hört sich wirklich gerne reden.«
Er nahm seine Zigarettenkippe und stellte sie unbeholfen mit dem Ende nach oben auf den Tisch, damit sie ausging, ohne das Styropor anzusengen. Ich half ihm, sich noch eine anzuzünden.
»Er hat mir von Ihrer Nichte erzählt«, fuhr Pleasants fort.
»Und daß sie ziemlich attraktiv ist, aber ebensowenig beim FBI zu suchen hat wie Sie auf dem Posten des Chief Medical Examiners. Weil. Na ja.«
»Weiter«, sagte ich mit beherrschter Stimme.
»Weil sie nicht auf Männer steht. Er glaubt wohl, daß Sie das auch nicht tun.«
»Das ist ja interessant.«
»Er hat sich darüber lustig gemacht. Er meinte, er weiß aus eigener Erfahrung, daß keiner von Ihnen mit Männern ausgeht, denn er würde Sie beide ziemlich gut kennen. Und ich sollte gut aufpassen, wie es Perversen ergeht. Denn das gleiche würde mir passieren.«
»Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Hat Ring Ihnen etwa gedroht, weil Sie schwul sind oder er Sie dafür hält?«
»Meine Mama weiß nichts davon.« Er ließ den Kopf hängen.
»Aber ein paar andere Leute schon. Ich war in solchen Bars. Ich kenne sogar Wingo.«
Nicht intim, hoffte ich.
»Ich mache mir Sorgen um Mama.« Wieder brach er in Tränen aus. »Daß ich hier im Knast sitze, regt sie bloß auf, und das ist nicht gut für sie.«
»Ich sag' Ihnen was. Ich werde auf dem Heimweg selbst nach ihr sehen«, sagte ich und hustete mal wieder.
Eine Träne rollte über seine Wange, und er wischte sie flüchtig mit dem Rücken seiner gefesselten Hände weg.
»Und ich werde noch etwas tun«, sagte ich, als erneut Schritte auf der Treppe erklangen. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Ich glaube nicht, daß Sie jemanden umgebracht haben, Keith. Ich werde Ihre Kaution bezahlen und dafür sorgen, daß Sie einen Anwalt bekommen.«
Ungläubig öffnete er den Mund, und dann kamen geräuschvoll die Deputies herein.
»Wirklich?« fragte Pleasants und stand auf. Er geriet beinahe ins Taumeln und sah mich mit weitaufgerissenen Augen an.
»Wenn Sie schwören, daß Sie die Wahrheit sagen.« »O ja, Ma'am!«
»Ja, ja«, sagte einer der Beamten. »Genau wie all die anderen.«
»Vor morgen wird das aber nichts«, sagte ich zu Pleasants. »Ich fürchte, der Friedensrichter ist heute schon nach Haus gegangen.«
»Los jetzt. Nach unten.« Ein Deputy packte seinen Arm.
Das letzte, was Pleasants zu mir sagte, war: »Mama mag Schokoladenmilch mit Hershey's-Sirup. Was anderes kann sie sowieso kaum noch bei sich behalten.«
Dann war er fort, und ich wurde wieder nach unten und durch den Frauentrakt des Gefängnisses geführt. Die Insassinnen waren diesmal eher einsilbig, als fänden sie mich nicht mehr so amüsant wie vorhin. Mir kam der Gedanke, daß ihnen vielleicht jemand gesagt hatte, wer ich war, als sie mir den Rücken zukehrten und jemand ausspuckte.
Kapitel 13
Sheriff Rob Roy war in Sussex County eine Legende. Jedes Jahr wurde er ohne Gegenkandidaten wiedergewählt. Er war oft bei mir im Leichenschauhaus gewesen, und ich hielt ihn für einen der besten Polizisten, die ich kannte. Um halb sieben fand ich ihn im Virginia Diner am Stammtisch der Einheimischen sitzend.
Der Tisch stand in einem langen Raum mit rotkarierten Tischdecken und weißen Stühlen. Roy aß gerade ein Sandwich mit gebratenem Schinken und trank schwarzen Kaffee.
Stimmengewirr drang aus seinem Funkgerät, das aufrecht auf dem Tisch stand.
»Nein, das kann ich nicht machen. Was soll das auch nützen? Deswegen
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