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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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die Gefängnisgeräusche hören konnte.
    »Ihre Tasche müssen Sie hierlassen«, erklärte der Deputy.
    »Könnten Sie mal herkommen?« sagte er in sein Funkgerät.
    »Verstanden. Schon unterwegs«, antwortete eine Frau.
    Ich legte meine Handtasche auf den Schreibtisch und vergrub meine Hände in den Manteltaschen. Man würde mich durchsuchen - ein unangenehmer Gedanke.
    »Wir haben hier ein kleines Zimmer, in dem die sich mit ihren Anwälten treffen«, sagte der Deputy und streckte seinen Daumen in die Luft, als wollte er trampen. »Aber bei diesen Ungeheuern sind immer welche dabei, die jedes Wort mithören. Falls Sie das stört, müssen Sie nach oben gehen. Da gibt es noch einen Raum.«
    »Ich glaube, oben wäre besser«, sagte ich, als ein weiblicher Deputy, stämmig und mit kurzen, angegrauten Haaren, mit einem Metalldetektor um die Ecke kam.
    »Arme ausstrecken«, sagte sie zu mir. »Haben Sie irgendwas aus Metall in den Taschen?«
    »Nein«, sagte ich, doch der Detektor jaulte wie eine mechanische Katze.
    Sie bewegte das Gerät erst auf der einen Seite auf und ab, dann auf der anderen. Es schlug immer wieder an.
    »Ziehen Sie mal Ihren Mantel aus.«
    Ich legte ihn auf den Schreibtisch, und sie versuchte es noch einmal. Der Warnton wollte nicht verstummen. Stirnrunzelnd probierte sie es weiter.
    »Tragen Sie Schmuck?« fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf, und plötzlich fiel mir ein, daß ich einen Bügel-BH trug, dessen Existenz kundzutun ich nicht die Absicht hatte. Sie legte den Detektor weg und begann, mich abzuklopfen, während der Deputy an seinem Schreibtisch saß und mit hängendem Unterkiefer glotzte, als liefe vor seinen Augen ein Schmuddelfilm ab.
    »Okay«, sagte sie, zufrieden, daß ich mich als ungefährlich erwiesen hatte. »Folgen Sie mir.«
    Um nach oben zu gelangen, mußten wir den Frauentrakt des Gefängnisses durchqueren. Schlüssel klirrten, als sie eine schwere Metalltür aufschloß, die laut hinter uns ins Schloß fiel. Die Insassinnen waren jung und sahen in ihrem Anstaltsdrillich ziemlich herb aus. Die mit einer weißen Toilette, einem Bett und einem Waschbecken ausgestatteten Zellen waren kaum groß genug für ein Tier. Frauen lehnten an den Stäben ihrer Käfige oder spielten Solitaire. Sie hatten ihre Sachen an die Gitter gehängt, und die Mülltonnen, die danebenstanden, waren vollgestopft mit den Resten der Abendmahlzeit. Bei dem Geruch alten Essens drehte sich mir der Magen um.
    »He, Mama.«
    »Was haben wir denn da?«
    »'Ne feine Dame. Mjamm-mjamm.«
    »Hubba-hubba-hubba!«
    Hände wurden durch Gitter gestreckt und versuchten mich im Vorbeigehen zu berühren. Jemand machte schmatzende Kußgeräusche, und andere Frauen stießen rauhe, schmerzerfüllte Laute hervor, die wohl ein Lachen sein sollten.
    »Laß sie uns hier. Nur 'ne Viertelstunde. Ooohhh, komm zu Mama!«
    »Ich brauch' Zigaretten.«
    »Halt die Klappe, Wanda. Du brauchst ständig irgendwas.«
    »Seid mal alle schön still«, sagte die Beamtin in einem gelangweilten Singsang, während sie eine weitere Tür aufschloß.
    Ich folgte ihr nach oben und merkte, daß ich zitterte. Der Raum, in den sie mich brachte, war unaufgeräumt und mit lauter Sachen vollgestellt, als habe er früher irgendeine Funktion gehabt. Korkplatten standen an einer Wand, ein Handkarren parkte in einer Ecke, und überall waren irgendwelche Flugblätter und Rundbriefe verstreut. Ich setzte mich auf einen Klappstuhl vor einem Holztisch, in den mit Kugelschreiber Namen und ordinäre Sprüche eingeritzt worden waren.
    »Machen Sie es sich bequem, er kommt gleich«, sagte sie und ließ mich allein.
    Mir fiel ein, daß meine Hustenbonbons und Papiertaschentücher in meiner Handtasche und meinem Mantel waren.
    Beides hatte ich unten gelassen. Ich schloß die Augen und zog die Nase hoch, bis ich schwere Schritte hörte. Als der männliche Deputy Keith Pleasants hereineskortierte, hätte ich ihn beinahe nicht wiedererkannt. Er sah blaß und abgespannt aus. In seinem weiten Overall wirkte er dünn. Seine Hände waren mit Handschellen vor seinem Bauch gefesselt, was ziemlich unbequem aussah. Als er mich anschaute, füllten seine Augen sich mit Tränen, und mit bebenden Lippen versuchte er zu lächeln.
    »Setzen Sie sich hin und bleiben Sie da sitzen«, befahl der Deputy. »Und wehe, es gibt hier ein Problem. Kapiert? Sonst steh' ich hier gleich wieder auf der Matte, und Sie können diesen Besuch vergessen.«
    Pleasants strauchelte fast und griff nach einem

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