Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Gewalttätern die Rückkehr auf die Straße zu ermöglichen, war mir alles andere als sympathisch.
    »Das macht dann fünfhundertdreißig Dollar«, sagte er.
    »Wenn Sie mit Kreditkarte bezahlen wollen, müssen Sie noch drei Prozent draufschlagen.«
    Er stand auf und kam zu seinem zerkratzten Ladentisch, auf dem stapelweise Schuhe und Schuhcremedosen lagen. Ich spürte, wie er mich von oben bis unten musterte.
    »Komisch, ich hatte Sie mir viel älter vorgestellt«, meinte er.
    »Wissen Sie, wenn man in der Zeitung über Leute liest, dann kriegt man manchmal einen ganz falschen Eindruck.«
    »Er wird heute noch freigelassen.« Das war ein Befehl. Ich trennte den Scheck heraus und reichte ihn dem Mann.
    »Ja, natürlich.« Sein Blick irrte unruhig hin und her, und er schaute auf seine Uhr. »Wann?«
    »Wann?« wiederholte er.
    »Ja«, sagte ich. »Wie schnell wird er freigelassen?«
    »So schnell«, sagte er und schnippte dabei mit den Fingern.
    »Gut«, sagte ich und putzte mir die Nase. »Ich werde ein Auge drauf haben, daß es wirklich so schnell geht.« Auch ich schnippte mit den Fingern.
    »Und wenn nicht? Ich sag Ihnen was: Ich bin selbst Juristin, und ich habe heute überaus schlechte Laune. Wenn es nicht so klappt, wie ich mir das vorstelle, mach' ich Ihnen die Hölle heiß! Ist das klar?«
    Er lächelte mich an und schluckte.
    »Was für eine Art von Juristin?« fragte er.
    »Eine, die Sie besser nicht kennenlernen sollten«, sagte ich und ging zur Tür hinaus.
    Etwa eine Viertelstunde später war ich im Büro, und als ich mich hinter meinen Schreibtisch setzte, klingelte gleichzeitig das Telefon, und mein Pieper vibrierte. Bevor ich reagieren konnte, stand Rose in der Tür. Sie sah ungewöhnlich gestreßt aus.
    »Alle suchen Sie«, sagte sie.
    »Das tun sie doch immer.« Als ich die Nummer auf dem Display meines Piepers sah, runzelte ich die Stirn. »Wer zum Teufel ist das denn?«
    »Marino ist auf dem Weg hierher«, fuhr sie fort. »Sie schicken Ihnen einen Helikopter. Zum Hubschrauberlandeplatz des MCV. Die Leute vom USAMRIID sind bereits hierher unterwegs. Sie haben der Gerichtsmedizin von Baltimore mitgeteilt, daß ein Spezialteam den Fall übernehmen und den Leichnam gleich in Frederick obduzieren muß.«
    Ich sah sie an, und mein Blut gefror. »Leichnam?«
    »Offenbar gibt es da einen Campingplatz, zu dem das FBI einen Anruf zurückverfolgt hat.«
    »Das weiß ich«, sagte ich ungeduldig. »In Maryland.«
    »Sie glauben, daß sie den Wohnwagen des Mörders gefunden haben. Ich bin nicht über alle Einzelheiten informiert. Aber darin befindet sich eine Art Labor. Und eine Leiche.«
    Ich war fassungslos. »Wessen Leiche?«
    »Die des Mörders, glauben sie. Möglicherweise Selbstmord.
    Erschossen.« Sie sah mich über ihre Brille hinweg an und schüttelte den Kopf. »Sie sollten zu Hause im Bett liegen, mit einer Tasse von meiner Hühnersuppe.«
    Marino holte mich vor meinem Büro ab, während der Wind durch die Innenstadt fegte und die Staatsflaggen auf den Dächern der Gebäude hin- und herpeitschte. Er fuhr los, noch bevor ich die Tür richtig geschlossen hatte. Es war nicht zu übersehen, daß er wütend war. Er sagte kein Wort.
    »Danke«, sagte ich und wickelte einen Hustenbonbon aus.
    »Sie sind immer noch krank.« Er bog in die Franklin Street ein.
    »Allerdings. Danke der Nachfrage.«
    »Ich weiß nicht, warum ich das mitmache«, sagte er. Er trug keine Uniform. »Mich in die Nähe irgendeines gottverdammten Labors zu begeben, in dem jemand Viren hergestellt hat, ist das letzte, wozu ich Lust habe.«
    »Sie bekommen einen speziellen Schutzanzug«, entgegnete ich.
    »Den sollte ich vermutlich jetzt schon anhaben, wo Sie doch bei mir sind.«
    »Ich habe die Grippe und stecke nicht mehr an. Vertrauen Sie mir. Mit so etwas kenne ich mich aus. Und seien Sie nicht so stinkig, denn ich habe nicht vor, mir das gefallen zu lassen.«
    »Wollen wir hoffen, daß es wirklich die Grippe ist.«
    »Wenn ich etwas Schlimmeres hätte, würde es mir schlechter gehen, und das Fieber wäre höher. Außerdem hätte ich Ausschlag.«
    »Ja, aber wenn Sie bereits krank sind, ist es dann nicht um so wahrscheinlicher, daß Sie sich noch mehr wegholen? Ich kapier' einfach nicht, warum Sie dorthin wollen. Ich wäre nämlich verdammt froh, wenn ich hierbleiben könnte. Es gefällt mir gar nicht, daß ich da hineingezogen werde.«
    »Dann setzen Sie mich ab und sehen Sie zu, daß Sie Land gewinnen«, sagte ich. »Jammern Sie

Weitere Kostenlose Bücher