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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Handrücken zu kühlen.
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    Doch das war ihr egal. »Wir haben ihn, den Schweinehund!«
    Sie war außer sich vor Freude. »Ein Campingplatz in Maryland. Ein Agententeam aus Salisbury ist bereits unterwegs. Janet und ich müssen gleich zum Flieger.«
    Bevor ich am nächsten Morgen aufstand, hatte die World Health Organization eine weitere Warnung vor dem Vita-Aromagesichtsspray veröffentlicht. Die WHO versicherte der Bevölkerung, daß das Virus bald ausgerottet sein würde, daß wir rund um die Uhr an einem Impfstoff arbeiteten und unsere Bemühungen bald von Erfolg gekrönt sein würden. Dennoch brach Panik aus.
    Das Virus, von der Presse Killerpocken benannt, zierte die Titelseiten von Newsweek und Time, der Senat bildete einen Sonderausschuß, und das Weiße Haus erwog, den Ausnahmezustand zu verhängen. Vita wurde zwar von New York aus vertrieben, aber der Hersteller saß in Frankreich. Natürlich lag da die Befürchtung nahe, daß deadoc seine Drohung wahr machen würde. Bisher waren zwar noch keine Krankheitsfälle aus Frankreich gemeldet worden, doch die Tatsache, daß eine große Produktionsstätte zur Schließung gezwungen wurde und sich beide Staaten gegenseitig den Schwarzen Peter zuschoben, was die Herkunft der verseuchten Proben anging, stellte eine starke Belastung der wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen dar.
    Die Fischer von Tangier versuchten, auf ihren Fischkuttern zu fliehen. Die Küstenwache forderte von überallher Unterstützung an, sogar aus Florida. Ich bekam nicht alles mit, aber soweit ich hörte, schaffte es die Polizei, die Inselbewohner im Tangier Sound einzuschließen. Die Boote beider Seiten gingen vor Anker und bewegten sich nicht mehr vom Fleck, während der Wintersturm heulte.
    Inzwischen hatten die CDC ein Quarantäneteam von Ärzten und Schwestern zu Wingo geschickt, und die Sache sprach sich langsam herum. Die Zeitungen waren voll von reißerischen Schlagzeilen, und die Menschen verließen fluchtartig die Stadt, die sich nur schwer oder gar nicht unter Quarantäne stellen lassen würde. Am Freitagmorgen saß ich im Bademantel am Küchentisch, trank heißen Tee und fühlte mich so elend und krank wie nie zuvor in meinem Leben.
    Mein Fieber war bis auf neununddreißig Grad angestiegen.
    Die einzige Wirkung, die Robitussin DM erzielte, war, daß ich mich übergeben mußte. Die Muskeln in meinem Nacken und Rücken schmerzten, als hätte ich gegen eine mit Knüppeln ausgerüstete Mannschaft Football gespielt. Trotzdem konnte ich nicht ins Bett gehen. Es gab viel zuviel zu tun. Ich rief bei einem privaten Kreditgeber an, der gewerblich Kautionen stellte. Dort sagte man mir, die einzige Möglichkeit, Keath Pleasants aus dem Gefängnis zu bekommen, bestehe darin, daß ich in die Stadt fuhr und persönlich bezahlte. Also ging ich zu meinem Wagen hinaus und fuhr los. Schon zehn Minuten später mußte ich umkehren, weil ich mein Scheckbuch auf dem Tisch liegengelassen hatte.
    »Bitte, lieber Gott, hilf mir«, stieß ich hervor und gab Gas.
    Mit quietschenden Reifen raste ich zurück nach Haus und sauste kurz darauf wieder Richtung Stadt um die Ecken von Windsor Farms. Ich fragte mich, was nachts in Maryland passiert sein mochte, und sorgte mich um Lucy, für die alles ein Abenteuer war. Schießereien und Verfolgungsjagden zu Fuß, Hubschrauber oder Flugzeuge fliegen - das war es, was sie wollte. Ich hatte Angst, ihre unbeschwerte Einstellung könnte irgendwann ins Auge gehen. Schließlich wußte ich zuviel über das Leben und darüber, wie es endete. Ich fragte mich, ob sie deadoc geschnappt hatten, glaubte allerdings, daß man mich in dem Fall benachrichtigt hätte.
    Ich hatte noch nie die Dienste eines privaten Kreditgebers in Anspruch genommen. Dieser, Vince Peeler, hatte sein Büro in einer Schusterwerkstatt in der Broad Street, zwischen lauter leerstehenden Läden mit nichts in den Schaufenstern als Graffiti und Staub. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann mit Pomade in den schwarzen Haaren und einer Lederschürze um den Bauch. Er saß an einer professionellen Singer-Nähmaschine und steppte eine neue Sohle auf einen Schuh.
    Als ich die Tür schloß, sah er mich mit dem durchdringenden Blick eines Mannes an, der ein Naschen für Schwierigkeiten aller Art hatte.
    »Sie sind Dr. Scarpetta?« fragte er, ohne mit dem Nähen aufzuhören.
    »Ja.«
    Ich holte mein Scheckbuch und einen Stift heraus. Dieser Mann, der ein Geschäft daraus machte,

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