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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Arbeit machen, ja?«
    Sie war einen Moment lang still. Dann entschuldigte sie sich.
    »Ich schätze, ich mache mir genauso übertriebene Sorgen um dich, wie du sie dir früher um mich gemacht hast.«
    »Das tue ich auch heute noch.« Ich tätschelte ihr Knie.
    »Okay, dann hat er meinen User-Namen also aus dem Mitgliederverzeichnis von AOL, richtig?« Sie nickte. »Erzähl mir mal was über dein AOL-Profil.«
    »Da steht bloß meine Berufsbezeichnung drin sowie Telefonnummer und Adresse meines Büros«, sagte ich. »Ich habe keinerlei private Angaben gemacht, wie etwa Familienstand, Geburtsdatum, Hobbys und so weiter. So dumm bin ich nun auch wieder nicht.«
    »Hast du dir sein Profil angesehen?« fragte sie. »Das von deadoc?«
    »Ehrlich gesagt wäre ich nie darauf gekommen, daß er eins haben könnte«, sagte ich.
    Deprimiert dachte ich an die Sägespuren, die ich nicht mehr auseinanderhalten konnte, und hatte das Gefühl, daß das nicht der einzige Fehler war, den ich an diesem Tag gemacht hatte.
    »Und ob er das hat!« Lucy war schon wieder am Tippen. »Er will, daß du weißt, wer er ist. Darum hat er eins erstellt.«
    Sie klickte das Mitgliederverzeichnis an, und als sie deadocs Profil aufrief, war ich wie vom Donner gerührt. Die Stichwörter, die ich da auf dem Monitor sah, waren für jeden zugänglich, der per Suchfunktion andere User mit bestimmten Charakteristika ausfindig machen wollte.
    Anwalt, Arzt, Autopsie, Chef, Chief Medical Examiner, Cornell, FBI, forensisch, Frau, Georgetown, gerichtlich, italienisch, Johns Hopkins, Jurist, Leiche, medizinisch, Mörder, Pathologe, Sporttauchen, Tod, Virginia, Zerstückelung.
    Die Liste ging noch weiter. Die beruflichen und privaten Informationen, die Hobbys, das alles war eine Beschreibung meiner Person.
    »Es scheint fast so, als wollte deadoc damit sagen, er sei du«, sagte Lucy.
    Ich war fassungslos, und plötzlich wurde mir eiskalt. »Das ist ja Wahnsinn.«
    Lucy schob ihren Stuhl zurück und sah mich an. »Er hat dein Profil. Im Cyberspace, im World Wide Web, seid ihr beide ein und dieselbe Person. Ihr habt nur unterschiedliche Namen.«
    »Wir sind nicht ein und dieselbe Person. Wie kannst du nur so etwas sagen!« Ich sah sie schockiert an.
    »Die Fotos stammen von dir, und du hast sie dir selbst geschickt. Das war ganz leicht. Du brauchtest sie nur in deinen Computer einzuscannen. Keine große Sache. Für vier- bis fünfhundert Mäuse kriegt man heute schon einen tragbaren Farbscanner. Dann brauchtest du die Datei nur noch an eine Mail mit dem Wortlaut zehn anzuhängen und sie an KSCARPETTA, mit anderen Worten: an dich selbst zu schicken ...«
    »Lucy«, unterbrach ich sie, »um Himmels willen, es reicht.«
    Sie schwieg mit ausdruckslosem Gesicht.
    »Das ist ja wohl die Höhe. Was fällt dir eigentlich ein?« Entrüstet stand ich auf.
    »Wenn sich deine Fingerabdrücke auf der Mordwaffe befänden«, erwiderte sie, »würdest du doch auch wollen, daß ich es dir sage.«
    »Meine Fingerabdrücke sind nirgendwo drauf.«
    »Tante Kay, ich will damit doch nur sagen, daß sich da draußen - im Internet - jemand für dich ausgibt. Natürlich hast du nichts dergleichen getan. Was ich dir verständlich zu machen versuche, ist, daß jeder, der bei AOL nach bestimmten Stichwörtern sucht, weil er sich Rat bei einer Expertin wie dir holen will, auch auf deadocs Namen stößt.«
    »Woher weiß er das alles über mich?« fuhr ich fort. »In meinem Profil steht es jedenfalls nicht. Weder, wo ich Jura noch wo ich Medizin studiert habe, und auch nicht, daß ich italienischer Abstammung bin.«
    »Vielleicht aus all den Artikeln, die im Lauf der Jahre über dich geschrieben worden sind.«
    »Wahrscheinlich.« Ich fühlte mich, als würde ich krank.
    »Möchtest du einen Schlummertrunk? Ich bin sehr müde.«
    Aber sie war schon wieder in das geheimnisvolle Reich der UNIX-Umgebung mit ihren seltsamen Symbolen und Befehlen wie cat, :q! oder vi abgetaucht.
    »Wie lautet dein Paßwort bei AOL, Tante Kay?« fragte sie.
    »Ich hab' nur ein Paßwort für alles«, gestand ich und wusste, daß sie wieder mit mir schimpfen würde.
    »Ach du Scheiße. Sag bloß, du benutzt immer noch Sindbad. «
    Sie blickte zu mir hoch.
    »Der verdammte Kater meiner Mutter ist nie in irgendeinem Artikel über mich erwähnt worden«, verteidigte ich mich.
    Ich sah zu, wie sie den Befehl password tippte und Sindbad eingab.
    »Betreibst du Paßworterneuerung?« fragte sie, als ob jeder wissen müsste, was

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