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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Glut gelegt hatte, eine Weile brauchten, hatten wir Zeit, uns zu unterhalten. In den letzten Jahren hatte sich das, was früher fast ein Mutter-Tochter-Verhältnis gewesen war, immer mehr zu einer Beziehung zwischen Kolleginnen und Freundinnen entwickelt. Das war nicht leicht für mich: Plötzlich war sie meine Lehrerin und arbeitete sogar an einigen meiner Fälle mit. Ich fühlte mich seltsam orientierungslos, denn ich wusste nicht mehr, welche Rolle ich in ihrem Leben spielte und welchen Einfluß ich noch auf sie hatte.
    »Wesley will, daß ich diese E-Mails zurückverfolge«, sagte sie.
    »Die Polizei von Sussex möchte unbedingt die CASKU hinzuziehen.«
    »Kennst du Percy Ring?« fragte ich, und bei dem Gedanken an seine Worte in meinem Büro stieg wieder Wut in mir auf.
    »Er war in einem meiner Kurse. Ein unangenehmer Typ, hat in einer Tour dazwischengequatscht.« Sie griff nach der Weinflasche. »Ein ziemlicher Affe.«
    Sie begann, unsere Gläser zu füllen. Dann lüftete sie den Deckel des Grills und piekste mit einer Gabel in die Kartoffeln.
    »Ich glaube, die sind fertig«, sagte sie zufrieden. Kurz darauf kam sie mit den Filets aus dem Haus. Es zischte, als sie sie auf den Grill legte.
    »Irgendwie hat er rausgekriegt, daß du meine Tante bist.« Sie sprach wieder von Ring. »Ist ja auch kein Geheimnis. Er hat mich mal nach einer Vorlesung über dich ausgefragt - ob ich viel von dir gelernt hätte und ob du mir bei meinen Fällen helfen würdest. Weißt du, als ob ich meinen Job unmöglich allein machen könnte. Ich glaube einfach, er hat es auf mich abgesehen, weil ich neu beim FBI bin und dazu noch eine Frau.«
    »Da ist er aber an die Falsche geraten«, sagte ich.
    »Außerdem wollte er wissen, ob ich verheiratet bin.« Da die Verandalampen nur eine Seite ihres Gesichts beleuchteten, lagen ihre Augen im Schatten.
    »Ich mache mir Sorgen, worauf er wirklich aus ist«, bemerkte ich.
    Sie warf mir einen Blick zu und grillte weiter. »Das Übliche.«
    Solche Anmachen prallten an ihr ab. Schließlich war sie ständig von Männern umgeben und nahm ihre Sprüche und Blicke kaum noch wahr.
    »Lucy, er hat heute in meinem Büro so eine Bemerkung über dich gemacht«, sagte ich. »Eine versteckte Anspielung.«
    »Worauf?«
    »Daß du keinen Freund hast. Und auf deine Mitbewohnerin.«
    Gleichgültig, wie oft und wie diskret wir das Thema behandelten, immer reagierte sie genervt und ungeduldig.
    »Ob ich nun lesbisch bin oder nicht«, sagte sie, und das Zischen des Grills war die passende Untermalung für ihren Tonfall, »die würden sich auf jeden Fall das Maul über mich zerreißen, einfach weil ich als Frau beim FBI arbeite. Es ist absolut lächerlich. Diese Typen halten sogar verheiratete Frauen und Mütter für lesbisch, bloß weil sie bei der Polizei, beim FBI, bei der Nationalgarde oder beim Geheimdienst sind. Manche Leute glauben sogar, daß du eine Lesbe bist.
    Aus dem gleichen Grund. Weil du erfolgreich bist und etwas erreicht hast.«
    »Hier geht es nicht um Anschuldigungen«, gab ich sanft zu bedenken. »Es geht darum, ob dir jemand schaden könnte.
    Ring ist aalglatt und ein Mann, dem man zuerst einmal glaubt, was er sagt. Ich nehme an, es ärgert ihn, daß du beim FBI bist, beim HRT, und er nicht.«
    »Na. das ist ja wohl nicht zu übersehen.« Ihre Stimme klang hart.
    »Ich will nur hoffen, daß dieser Knallkopf sich nicht ständig mit dir verabreden will.«
    »Oh, damit hat er schon ein paarmal genervt.« Sie setzte sich. »Er hat es sogar schon mal bei Janet versucht. Unglaublich, was?« Sie lachte. »Manche Leute kapieren es einfach nicht.«
    »Das ist ja gerade das Problem: Ich glaube, er kapiert es sehr wohl«, sagte ich unheilvoll. »Mir kommt es so vor, als würde er belastendes Material gegen dich sammeln.«
    »Ach, soll er doch.« Abrupt wechselte sie das Thema. »Erzähl mir, was heute sonst noch so los war.«
    Ich berichtete ihr, was ich in den Labors erfahren hatte, und während wir die Steaks und den Wein hineintrugen, redeten wir über Textilspuren und Koss' Analyse der Fasern. Wir setzten uns an den Küchentisch, zündeten eine Kerze an und beschäftigten uns mit Themen, die kaum jemand sonst beim Essen besprechen würde.
    »Vorhänge aus einem billigen Motel könnten so eine Beschichtung haben«, sagte Lucy.
    »Ja, oder eine Art Abdeckplane. Das würde auch die farbähnliche Substanz erklären«, erwiderte ich. »Der Spinat ist wunderbar. Wo hast du den gekauft?«
    »Bei Ukrops. Wenn

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