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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bloß? Das ganze Haus abbrennen?«
    Ich ging ins Badezimmer und sammelte Handtücher vom Boden auf, während sie ihren ins Laken gewickelten Körper hochhoben. Die Leiche erwies sich als äußerst unhandlich und rutschte immer wieder weg, als die Wissenschaftler verzweifelt versuchten, sie vom Bett auf die Trage zu verfrachten, die eigentlich für Lebende gedacht war. Sie schlossen die Plastiklaschen, und der Anblick dieses in einen Leichensack verpackten Leichnams auf der Bahre, die aussah wie ein Sauerstoffzelt, versetzte selbst mir einen Stich. Sie hoben die Bahre an beiden Enden an, und wir gingen die Treppe wieder hinunter und hinaus auf die Straße.
    »Was wird, wenn wir weg sind?« fragte ich.
    »Drei von uns bleiben hier«, antwortete einer von ihnen.
    »Morgen kommt noch ein Hubschrauber.«
    Ein weiterer Wissenschaftler im Schutzanzug hielt uns auf. Er hatte einen Kanister dabei, der große Ähnlichkeit mit der Ausrüstung eines Kammerjägers hatte. Er dekontaminierte uns und die Trage, indem er uns mit einer Chemikalie besprühte. Um uns herum versammelten sich immer mehr Neugierige. Neben Crocketts Pick-up standen die Leute von der Küstenwache. Crockett und Martinez sprachen miteinander. Ich ging hin, um mit ihnen zu reden. Es war nicht zu übersehen, daß der Anblick meiner Schutzkleidung sie abschreckte, denn sie wichen unverhohlen vor mir zurück.
    »Das Haus muß versiegelt werden«, sagte ich zu Crockett.
    »Solange, bis wir mit Sicherheit wissen, womit wir es hier zu tun haben, darf niemand es betreten oder sich in seiner Nähe aufhalten.«
    Er hatte die Hände in den Jackentaschen und blinzelte nervös.
    »Ich möchte, daß man mich sofort benachrichtigt, wenn hier noch jemand krank wird«, sagte ich zu ihm.
    »Um diese Jahreszeit werden immer Leute krank«, erwiderte er. »Sie holen sich was weg. 'Ne Erkältung oder so.«
    »Wenn sie Fieber bekommen, Rückenschmerzen oder Ausschlag«, erklärte ich, »rufen Sie sofort mich oder mein Büro an. Diese Leute sind hier, um Ihnen zu helfen.« Ich deutete auf das Team.
    Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, daß er am liebsten niemanden hier auf seiner Insel haben wollte.
    »Bitte versuchen Sie das zu verstehen«, sagte ich. »Es ist wirklich sehr wichtig.«
    Er nickte. Ein kleiner Junge tauchte hinter ihm aus der Dunkelheit auf und nahm seine Hand. Er war höchstens sieben, hatte struppiges blondes Haar und starrte mich mit weitaufgerissenen blassen Augen an, als sei ich die furchtbarste Erscheinung, die er je gesehen hatte.
    »Daddy, Raumfahrer.« Der Junge zeigte auf mich.
    »Geh nach Haus, Darryl«, sagte Crockett zu seinem Sohn.
    »Na, mach schon.«
    Ich ging auf das Knattern des Hubschraubers zu. Die aufgewirbelte Luft kühlte mein Gesicht, aber ansonsten fühlte ich mich elend, denn der Schutzanzug war alles andere als atmungsaktiv. Das Hämmern des Rotors und das Heulen des Windes in den Ohren, der an den kümmerlichen Kiefern und Gräsern zerrte, suchte ich mir meinen Weg über das Gelände neben der Kirche.
    Der Blackhawk war offen und innen beleuchtet, und die Helfer zurrten die Trage genauso fest, wie sie es bei einem lebenden Patienten getan hätten. Ich kletterte an Bord, setzte mich auf einen Sitz an der Wand und schnallte mich an, während einer der Wissenschaftler die Tür zuzog. Der Helikopter bebte und dröhnte, als wir abhoben. Es war unmöglich, sich ohne Kopfhörer zu verständigen, doch die konnten wir kaum benutzen, ohne vorher die Helme abzusetzen.
    Warum wir das nicht taten, war mir zunächst schleierhaft.
    Obwohl alle Anzüge dekontaminiert worden waren, wollte keiner seinen ausziehen. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich konnte mich bei Lila Pruitt angesteckt haben, und davor schon bei der zerstückelten Leiche. Niemand wollte die gleiche Luft atmen wie ich, ohne daß sie durch einen HEPA-Mikrofilter gereinigt wurde. Also schauten wir nur stumm vor uns her und warfen einander und unserer Patientin kurze Blicke zu. Ich schloß die Augen, und wir flogen nach Maryland.
    Ich dachte an Wesley, Lucy und Marino. Sie hatten keine Ahnung, was los war, und würden sich große Sorgen machen.
    Voller Angst fragte ich mich, wann ich sie das nächstemal sehen und in welcher Verfassung ich dann vielleicht sein würde. Ich hatte weiche Knie, und meine Füße glühten. Es ging mir nicht gut. Angst vor den ersten verhängnisvollen Symptomen übermannte mich: Schüttelfrost, Schmerzen, Brummschädel und Fieberdurst. Ich war

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