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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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darin. Sie hatte sich verschrieben und auf jedem einige Wörter durchgestrichen, weshalb sie die Zettel wohl weggeworfen hatte. Auf dem Boden des Eimers lag ein kleines Pappröhrchen, die Verpackung einer Warenprobe, die sie mit der Post bekommen hatte.
    Ich holte eine Taschenlampe aus meiner Tasche, ging vor die Tür, stellte mich auf die Treppe und wartete, bis Crockett aus seinem Wagen stieg.
    »Es wird hier bald einen ziemlichen Trubel geben«, sagte ich.
    Er starrte mich an, als fürchtete er, ich könnte verrückt geworden sein. Hinter erleuchteten Fenstern konnte ich die Gesichter von neugierigen Menschen erkennen. Ich stieg die Stufen hinunter bis zu dem Zaun, der das Grundstück begrenzte, ging um ihn herum auf die Vorderseite und begann, mit der Taschenlampe die Holzkästen auszuleuchten, aus denen Pruitt ihre Rezepte verkauft hatte. Crockett wich zurück.
    »Ich versuche herauszufinden, seit wann sie krank gewesen ist«, sagte ich zu ihm.
    Die Fächer waren voll von Rezepten, und in der hölzernen Geldkassette lagen nur drei VierteldollarStücke.
    »Wann hat die letzte Fähre mit Touristen hier festgemacht?«
    Ich leuchtete in ein weiteres Fach und fand etwa ein halbes Dutzend Rezepte für »Lilas Weichschalenkrebse auf einfache Art«.
    »Vor 'ner Woche. Hier ist seit Wochen nichts los«, sagte er.
    »Kaufen die Nachbarn ihre Rezepte?« fragte ich. Er runzelte die Stirn, als sei das eine sonderbare Frage. »Die haben sie doch schon.«
    Jetzt waren die Leute auf ihre Veranden herausgekommen und schlüpften leise in den dunklen Schatten ihrer Gärten, um zuzuschauen, wie diese absonderliche Frau in OP-Kittel, Haarschutz und Handschuhen mit einer Taschenlampe in die Rezeptkästen ihrer Nachbarin leuchtete und dabei mit dem hiesigen Polizeichef sprach.
    »Es wird hier bald einen ziemlichen Trubel geben«, wiederholte ich zu ihm gewandt. »Ein Ärzteteam der Army muß jeden Moment hier eintreffen, und ich würde Sie bitten, dafür zu sorgen, daß die Menschen hier Ruhe bewahren und in ihren Häusern bleiben. Und jetzt holen Sie bitte die Männer von der Küstenwache und sagen ihnen, daß Sie ihre Hilfe benötigen, ja?«
    Davy Crockett gab Gas, daß die Reifen durchdrehten.

Kapitel 9
    Kurz vor neun Uhr abends senkten sie sich unter lautem Getöse aus der Mondnacht herab. Donnernd schwebte der Blackhawk der Army über der Methodistenkirche. Der furchtbare Sturm, den die Rotorblätter erzeugten, peitschte die Bäume, und ein starker Scheinwerfer tastete den Boden nach einem Landeplatz ab. Ich sah zu, wie sich der Helikopter wie ein Vogel auf dem Grundstück nebenan niederließ, während Hunderte von staunenden Inselbewohnern auf die Straße stürzten.
    Ich stand auf der Veranda und beobachtete durch die Fliegentür, wie das Medical Evacuation Team aus dem Hubschrauber stieg. Kinder versteckten sich hinter ihren Eltern und starrten die Ankommenden stumm an. Die fünf Wissenschaftler von USAMRIID und CDC wirkten in ihren aufgeblähten, orangefarbenen Plastikanzügen mit den Helmen und den batteriebetriebenen Gebläsen wie Außerirdische.
    Sie trugen eine in eine Plastikblase gehüllte Trage die Straße hinunter.
    »Gott sei Dank, daß Sie da sind«, sagte ich zu ihnen, als sie bei mir ankamen.
    Ihre Schritte erzeugten auf dem Holzfußboden der Veranda ein quietschendes Plastikgeräusch. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, sich vorzustellen. Die einzige Frau des Teams reichte mir einen zusammengelegten, orangefarbenen Anzug.
    »Dafür ist es ja wohl ein bißchen spät«, sagte ich.
    »Schaden kann es nicht.« Unsere Blicke trafen sich. Sie sah nicht viel älter aus als Lucy. »Beeilen Sie sich.«
    Der Anzug hatte die Beschaffenheit eines Duschvorhangs.
    Ich setzte mich auf die Schaukel und zog ihn mir über Schuhe und Kleidung. Der Helm war transparent und hatte einen Latz, den ich mir fest um die Brust band. Ich schaltete das Gebläse hinten an meiner Taille ein.
    »Sie ist oben«, sagte ich durch das Rauschen der Luft in meinen Ohren hindurch.
    Ich ging voran, und sie kamen mit der Trage hinterher. Als sie sahen, was da auf dem Bett lag, brachten sie einen Moment lang keinen Ton heraus.
    Dann sagte einer der Wissenschaftler: »Du lieber Himmel! So was hab' ich ja noch nie gesehen.«
    Alle begannen durcheinanderzureden.
    »Wickelt sie in die Laken ein.«
    »Ab in den Leichensack damit und versiegeln.«
    »Die Bettwäsche und alles andere auf dem Bett muß sterilisiert werden.«
    »Scheiße. Was machen wir

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