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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Nacht wanderte ich bei AOL von Raum zu Raum. Stündlich sah ich nach E-Mail. Deadoc ließ bis sechs Uhr morgens nichts von sich hören, doch dann tauchte er im M.E.-Raum auf. Mir blieb das Herz stehen, als sein Name auf dem Bildschirm erschien. Wie jedesmal, wenn er mit mir kommunizierte, stieg mein Adrenalinpegel rapide an. Ich hatte ihn an der Angel. Jetzt lag es an mir. Wenn es mir gelang, ihn dazu zu bringen, einen Fehler zu machen, konnte ich ihn zu Fall bringen.
    DEADOC: sonntag war ich in der kirche ich wette sie nicht
    SCARPETTA: Was war das Thema der Homilie?
    DEADOC: predigt
    SCARPETTA: Katholisch sind Sie also nicht.
    DEADOC: hüte dich vor den menschen
    SCARPETTA: Matthäus 10. Sagen Sie mir, was Sie damit meinen.
    DEADOC: er soll sich entschuldigen
    SCARPETTA: Wer ist er? Und was hat er getan?
    DEADOC: ihr werdet zwar den kelch trinken den ich trinke
    Bevor ich antworten konnte, war er fort, und ich begann, in der Bibel zu blättern. Der Vers, den er diesmal zitiert hatte, stammte aus dem Markus-Evangelium. Wieder war es ein Ausspruch von Jesus, was für mich darauf hindeutete, daß deadoc zumindest kein Jude war. Nach seiner Äußerung über den Gottesdienst zu urteilen war er auch nicht katholisch. Ich war keine Theologin, aber das Trinken aus dem Kelch schien sich auf die Kreuzigung zu beziehen. Demnach war deadoc also gekreuzigt worden, und mir würde das gleiche Schicksal widerfahren?
    Es waren meine letzten paar Stunden hier, und Sally, die Schwester, stellte sich wegen des Telefons nicht mehr so an.
    Ich piepte Lucy an, die mich postwendend zurückrief. »Ich habe gerade wieder mit ihm gesprochen«, sagte ich. »Seid Ihr dran?«
    »Ja, sind wir. Aber wir haben ihn noch nicht«, sagte meine Nichte. »Es gibt so viele Fernverbindungen, und wir müssen bei allen Telefongesellschaften Fangschaltungen einrichten. Der letzte Anruf kam aus Dallas.«
    »Das kann nicht wahr sein«, sagte ich bestürzt.
    »Da kommt das Gespräch nicht her, das ist nur eine Vermittlungsstelle, über die er geroutet wurde. Weiter sind wir nicht gekommen, weil er die Verbindung getrennt hat. Du mußt dranbleiben. Das klingt ja, als sei dieser Typ so ein religiöser Spinner.«

Kapitel 11
    Als die Sonne an jenem Morgen hoch in die Wolken aufstieg, nahm ich mir ein Taxi. Ich war in Eile und hatte nichts bei mir außer den Sachen, die ich am Leib trug - sie waren zuvor im Autoklav sterilisiert oder mit Gas behandelt worden - und einem großen, weißen Karton mit der Aufschrift VERDERBLICH EILT! ACHTUNG: NICHT KIPPEN und anderen Warnhinweisen, den ich bewachte wie ein Luchs.
    Das Paket erinnerte an eine russische Matroschka: In dem Karton befanden sich Schachteln, in denen wiederum kleinere Schachteln mit sterilen Verpackungen für Gewebeproben darin steckten. Diese enthielten Röhrchen mit Proben von Lila Pruitts Leber, Milz und Rückenmarkflüssigkeit, geschützt durch Faserplatten, Blasenfolie und Wellpappe. Alles war in Trockeneis verpackt und mit INFEKTIÖSE-SUBSTANZ- und GEFAHR-Aufklebern versehen, als Warnung für jeden, der die äußere Verpackung entfernte. Selbstverständlich konnte ich mein Gepäck nicht aus den Augen lassen. Nicht nur, daß es erwiesenermaßen lebensbedrohend war, es konnte auch als Beweismaterial dienen, falls sich herausstellen sollte, daß der Fall Pruitt ein Mordfall war. Auf dem Baltimore-Washington International Flughafen suchte ich mir einen Münzfernsprecher und rief Rose an.
    »Meine Arzttasche und mein Mikroskop sind noch beim USAMRIID.« Ich hatte keine Zeit zu verlieren. »Sehen Sie zu, ob Sie beides über Nacht zu den CDC schaffen können. Ich befinde mich gerade auf dem BWI-Flughafen und fliege gleich dorthin weiter.«
    »Ich habe schon versucht, Sie anzupiepen«, sagte sie.
    »Meinen Pieper hätte ich auch gern zurück.« Ich versuchte mich zu erinnern, was sonst noch fehlte. »Und das Handy«, fügte ich hinzu.
    »Hier ist ein Bericht für Sie angekommen, der Sie interessieren wird. Die Tierhaare, die sich an dem Rumpf befanden, stammen von Kaninchen und Affen.«
    »Bizarr«, war das einzige, was mir dazu einfiel.
    »Da wäre leider noch etwas. Presse und Fernsehen haben versucht, Sie wegen des Falls Carrie Grethen zu erreichen. Offenbar ist da etwas an die Medien durchgesickert.«
    »Verdammter Mist!« rief ich aus. Daran konnte nur Ring schuld sein.
    »Was soll ich tun?« fragte sie.
    »Rufen Sie doch Benton an. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das wächst mir alles ein

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