Der Keim des Verderbens
riesige Laminarflow-Anlage mit dicken Stahlbetonwänden, eine Art Haus im Haus. Die Rolläden vor den Fenstern waren geschlossen. Die Labors lagen hinter dicken Glaswänden. Drinnen waren einige Wissenschaftler in blauen Schutzanzügen zugange, denen ihre Forschungsarbeiten so sehr am Herzen lagen, daß sie trotz der Zwangsbeurlaubung hergekommen waren.
»Also, diese Leute im Weißen Haus«, sagte der Wachmann kopfschüttelnd. »Was denken die sich eigentlich? Glauben die etwa, daß solche Seuchen wie Ebola warten, bis sie einen vernünftigen Haushaltsplan ausgetüftelt haben?« Immer noch schüttelte er den Kopf.
Er führte mich an unbeleuchteten Isolierzimmern und menschenleeren Labors vorbei, an leeren Kaninchenkäfigen in einem Korridor und Räumen für größere Primaten. Ein Affe sah mich durch Gitter und Glasscheiben hindurch an. Seine Augen waren so menschlich, daß mir ganz anders wurde. Ich dachte an das, was Rose gesagt hatte. Beim Berühren des Opfers hatte Deadoc Affen- und Kaninchenhaare auf dessen Haut hinterlassen. Es konnte also sein, daß er an einem Ort wie diesem arbeitete.
»Die bewerfen einen mit Abfall«, sagte der Wachmann, während wir weitergingen. »Genauso wie die Tierschützer, die sich für sie engagieren. Das paßt irgendwie, finden Sie nicht?«
Meine Anspannung wuchs.
»Wo gehen wir hin?« fragte ich.
»Dr. Martin hat mir Anweisungen gegeben, wo ich Sie hinbringen soll, Ma'am«, sagte er. Wir befanden uns jetzt auf einer anderen Gitterstegebene und näherten uns einem weiteren Teil des Gebäudes.
Hinter einer Tür stießen wir auf verriegelte Revco-Tiefgefriergeräte, die so groß waren wie große Kopiergeräte und aussahen wie Computer. Sie wirkten fehl am Platze in diesem Korridor, in dem ein dicklicher Mann in einem Laborkittel auf mich wartete. Er hatte feines, blondes Babyhaar und schwitzte.
»Ich bin Bret Martin«, sagte er und reichte mir die Hand.
»Danke.« Mit einem Nicken bedeutete er dem Wachmann, er könne jetzt gehen.
Ich übergab Martin meinen Karton.
»Hier lagern wir unsere Pockenvirenstämme«, sagte er, deutete mit einer Kopfbewegung auf die Gefriergeräte und stellte meinen Karton auf einen davon. »In diesen Dingern halten wir sie bei siebzig Grad unter Null unter Verschluß. Tja, so ist das nun mal.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Geräte stehen deshalb hier draußen im Flur, weil wir in der Hochsicherheitsisolierstation nirgendwo anders Platz dafür haben.
Und jetzt bringen Sie mir auch noch das hier. Obwohl ich nicht glauben kann, daß es sich dabei um die gleiche Krankheit handelt.«
»All das sind Pocken?« fragte ich, während ich mich staunend umschaute.
»Fast alles. Ihre Tage sind allerdings gezählt, denn wir haben zum erstenmal in der Geschichte dieses Planeten die bewußte Entscheidung getroffen, eine Spezies auszurotten.«
»Kriegt die Menschheit doch noch ihre Rache«, sagte ich.
»Immerhin hat besagte Spezies Millionen von Menschenleben ausgelöscht.«
»Sie finden also, wir sollten all diese Virenstämme nehmen und sie einfach vernichten.«
Ich brauchte ihm nur ins Gesicht zu sehen, um zu wissen, was er dachte. Mit solchen Reaktionen wurde ich öfter konfrontiert. Das Leben war natürlich viel komplizierter, als ich es darstellte, und nur Menschen wie er verstanden die Dinge wirklich.
»Ich sage ja gar nicht, daß wir irgendwas vernichten sollten«, erwiderte ich. »Keineswegs. Das hier ist vermutlich der beste Beweis dafür, daß das ein Fehler wäre.« Ich blickte auf den Karton, den ich ihm gerade gegeben hatte. »Wenn wir die Pockenviren sterilisieren, muß das noch lange nicht heißen, daß keine mehr existieren. Ich schätze, das ist das gleiche wie bei allen anderen Waffen.«
»Ganz meine Meinung. Ich würde wirklich gern wissen, wo die Russen derzeit ihren Variola-Virenstamm versteckt halten und ob sie schon etwas davon in den Nahen Osten oder an Nordkorea verkauft haben.«
»Machen Sie hiermit einen PCR-Test?« fragte ich.
»Ja.«
»Jetzt sofort?«
»So schnell es geht.«
»Bitte«, sagte ich. »Das ist ein Notfall.«
»Deshalb bin ich ja hier«, sagte er. »Die Regierung betrachtet mich nämlich als entbehrlich. Eigentlich sollte ich zu Hause sein.«
»Ich habe ein paar Fotos, die das USAMRIID freundlicherweise entwickelt hat, während ich im Bau war«, sagte ich mit einer Spur Ironie.
»Die will ich sehen.«
Wir nahmen den Aufzug zurück nach oben und stiegen im vierten Stock aus. Martin führte mich in
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