Der Keim des Verderbens
eine bessere Art, das Virus zu testen, als an jener Person? Und wenn es funktioniert, bringt er sie um und inszeniert ihren Tod so, daß es aussieht, als sei sie an etwas anderem gestorben. Schließlich kann er sie auf keinen Fall an Pocken sterben lassen. Nicht wenn eine Verbindung zwischen ihm und ihr besteht. Sonst könnten wir herausfinden, wer er ist. Also schießt er ihr in den Kopf und zerstückelt sie, damit wir glauben, es handele sich wieder um einen dieser Serienmorde.«
»Und wie schlagen Sie jetzt den Bogen zu der Frau auf Tangier?«
»Sie war dem Virus ausgesetzt«, sagte ich einfach.
»Wie? Wurde es ihr etwa ins Haus geliefert? Hat sie es mit der Post bekommen? Wurde es durch die Luft übertragen? Hat man es ihr im Schlaf eingeritzt?«
»Ich weiß nicht, wie.«
»Glauben Sie, deadoc wohnt auf Tangier?« fragte Marino dann.
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube, er hat sich die Insel ausgesucht, weil sie der am besten geeignete Ort ist, um eine Seuche ausbrechen zu lassen: klein und abgeschlossen. Außerdem ist sie leicht unter Quarantäne zu stellen, was bedeutet, daß der Killer nicht vorhat, mit einem Schlag die ganze Bevölkerung auszulöschen. Er geht Schritt für Schritt vor, zerlegt uns quasi in kleine Häppchen.«
»Ja. Genau wie die alte Frau, falls Sie recht haben.«
»Irgend etwas hat er vor«, sagte ich. »Mit der Sache auf Tangier wollte er erst mal Aufmerksamkeit erregen.«
»Nichts für ungut, Doc, aber ich hoffe, daß das alles Mist ist, was Sie da sagen.«
»Ich fahre morgen früh nach Atlanta. Fragen Sie doch mal bei Vander nach, ob bei dem Daumenabdruck etwas herausgekommen ist.«
»Bislang nicht. Sieht aus, als gäbe es von dem Opfer keine aktenkundigen Fingerabdrücke. Wenn sich irgend etwas ergibt, piepe ich Sie an.«
»Verdammt«, murmelte ich. Meinen Pieper hatte die Schwester auch mitgenommen.
Der Rest des Tages verging unendlich langsam, und erst nach dem Abendessen kam Fujitsubo, um mich zu verabschieden.
Obwohl meine Entlassung die Schlußfolgerung zuließ, daß ich offenbar weder infiziert noch ansteckend war, trug er einen blauen Schutzanzug, den er an einen Luftschlauch anschloß.
»Eigentlich sollte ich Sie noch länger hierbehalten«, sagte er zur Begrüßung. Wieder bekam ich furchtbare Angst. »Die Inkubationszeit beträgt im Schnitt zwölf bis dreizehn Tage.
Aber es kann auch mal drei Wochen dauern. Ich will damit sagen, daß Sie immer noch krank werden können.«
»Das ist mir klar«, antwortete ich und griff nach meinem Wasser.
»Ob die Impfung wirkt oder nicht, hängt davon ab, in welchem Krankheitsstadium Sie sich befanden, als ich Sie geimpft habe.«
Ich nickte. »Und ich hätte es nicht so eilig, hier rauszukommen, wenn Sie diesen Fall einfach übernehmen würden, anstatt mich zu den CDC zu schicken.«
»Kay, das kann ich nicht.« Seine Stimme klang dumpf durch den Plastikhelm. »Sie können schließlich auch keinen Fall an sich reißen, der außerhalb Ihrer Kompetenzen liegt. Ich habe mit denen gesprochen. Sie machen sich allergrößte Sorgen wegen der Seuchengefahr und werden mit den Tests beginnen, sobald Sie mit den Proben dort ankommen.«
»Ich befürchte, daß es sich um einen terroristischen Akt handelt.« Ich wollte einfach nicht klein beigeben.
»Bis es dafür Beweise gibt - und ich hoffe, die wird es nicht geben -, können wir hier nichts mehr für Sie tun.« Es tat ihm offenbar ehrlich leid. »Fahren Sie nach Atlanta und hören Sie sich an, was die dazu sagen. Dort wird auch nur mit einer Notbesetzung gearbeitet. Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein.«
»Oder günstiger für den Täter«, sagte ich. »Wenn Sie ein Verbrecher wären, der vorhat, mit einem Virus reihenweise Menschen umzubringen, könnten Sie sich dafür einen geeigneteren Zeitpunkt vorstellen als einen, in dem sich die wichtigsten Bundesgesundheitsbehörden im Ausnahmezustand befinden? Die Haushaltssperre haben wir schließlich schon seit geraumer Zeit, und nichts deutet darauf hin, daß sie demnächst beendet wird.«
Er schwieg.
»John«, fuhr ich fort, »Sie waren bei der Obduktion dabei. Haben Sie jemals so eine Krankheit gesehen?«
»Nur im Lehrbuch«, entgegnete er erbittert.
»Wie kommt es, daß plötzlich und ganz von allein die Pocken wieder auftauchen?«
»Wenn es denn Pocken sind.«
»Was auch immer es ist, es ist hochansteckend, und es ist tödlich«, versuchte ich ihm ins Gewissen zu reden.
Aber er konnte nichts mehr tun, und den Rest der
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