Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
ihm, etwas … Unnatürliches. Ich kann nicht fortgehen, wenn ich weiß, dass er irgendwo dort draußen ist und Böses im Schilde führt. Ihr etwa?«
Auf halbem Weg zur Scheune blieb Braedon stehen. »In einer Stunde brechen wir auf«, wiederholte er und ignorierte Kenricks Aufforderung, de Mortaines irrsinnigen Plan zu vereiteln. Doch sobald er versuchte, die Gedanken daran zu verdrängen, regte sich sein Gewissen wie eine heiße Flamme. Mit einem Fluch auf den Lippen und mit seinen Händen zu Fäusten geballt betrat er die Scheune, um die Pferde zu satteln.
Sie waren bereits ein gutes Stück des Weges vorangekommen, als Braedons untrügliches Gespür für Gefahr ihn wachsam werden ließ. Mit keinem Wort erwähnte er die dunkle Vorahnung, ritt weiterhin scheinbar ruhig neben Ariana auf dem schmalen Pfad her, der dem Flusslauf der Seine folgte und zur Küste führte. Er blendete die unmittelbare Umgebung aus und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die kaum wahrnehmbaren Luftveränderungen. Seine Nasenflügel bebten, denn Gefahr war im Verzug.
Kein Zweifel, die Todesboten waren ihnen auf den Fersen und folgten ihnen in halsbrecherischem Galopp. Kaum hatte Braedon die Bedrohung erkannt, da drang der unverwechselbare Klang von fernem Hufschlag an seine geschulten Ohren. Als er einen düsteren Fluch ausstieß, sah Ariana ihn erschrocken an. Auch Kenrick drehte sich im Sattel um und schaute zu ihm hinüber.
»Was habt Ihr?«
»Reiter. Mehrere, dem Hufschlag nach zu urteilen. Sie kommen schnell näher.« Er warf einen prüfenden Blick auf die dicht bewaldete Anhöhe, die unweit des Weges begann. »Los – schnell. Hier entlang!«
Sie verließen den Weg und ritten auf die Anhöhe zu. Dichtes Nadelgehölz unterbrach das kahle Geäst der anderen Bäume. Hastig lenkten sie die Pferde durch die Zweige in den Schutz des Waldes, bis Braedon anhielt, um erneut einen Blick auf den Weg am Fluss zu werfen. Ihre Pferde hatten Spuren am verschneiten Flussufer und auf dem Hügel hinterlassen: Selbst ein Kind konnte sehen, welche Richtung sie auf ihrer Flucht eingeschlagen hatten, aber mit etwas Glück und Schnelligkeit könnten sie vielleicht trotzdem ihren Verfolgern entkommen.
Braedon führte die kleine Gruppe tiefer in den Wald und drängte sie zu äußerster Eile, solange sie noch den Vorteil des Vorsprungs für sich nutzen konnten. Es dauerte nicht lange, dann waren Reiter in voller Rüstung hinter ihnen auf dem Weg zu hören. Schließlich vernahmen sie den Ruf und den Pfiff eines Spähers, der die Gruppe auf die Spuren aufmerksam machte, die geradewegs zum Waldrand hinaufführten. Brüchige Spitzen von Stechginster und niedrig hängende Zweige erlagen dem Ansturm der vorwärtsdrängenden Tiere. Erst jetzt erkannte Braedon, dass nicht nur Pferde durch das Unterholz preschten, sondern auch noch andere Wesen …
»Dort sind sie!«, rief einer der Ritter.
»Braedon!«, schrie Ariana und sah ihn voller Furcht an. Ängstlich hielt sie die Zügel umklammert, sodass ihr Pferd verwirrt den Kopf hin und her warf und sich aufbäumte.
Braedon kam Ariana zu Hilfe und drängte ihr Tier mit dem Knie weiter. »Reite zu! Schau nicht zurück, Ariana.«
Aber es war schon zu spät. Ehe er es verhindern konnte, hatte sie sich bereits im Sattel umgedreht und einen hilflosen Blick über die Schulter geworfen. »Heilige Muttergottes!«, keuchte sie voller Entsetzen. »Sie hetzen Hunde auf uns!«
»Keine Hunde«, grollte Braedon und holte die Armbrust hervor, die einer der Ritter im Hof der Schenke am Sattelknauf hängen gelassen hatte. »Wölfe. Nehmt Eure Schwester, Kenrick, und zieht Euch so weit wie möglich in den Wald zurück«, befahl er Arianas Bruder, während er den ersten Bolzen einlegte.
»Nein!« Voller Angst packte sie Braedon beim Ärmel. »Ich werde dich nicht allein lassen!«
»Ich bleibe hinter euch. Und jetzt macht, dass ihr verschwindet!«
Mit einem Fluch schlug er Arianas Pferd mit der flachen Hand auf das Hinterteil, und das Tier setzte sich mit einem Sprung in Bewegung. Nachdem Braedon sich mit einem kurzen Blick vergewissert hatte, dass Kenrick seine Schwester auch wirklich tiefer in den Schutz des Waldes brachte, hob er die Waffe und zielte auf die Umrisse der Verfolger. Die Reiter hielten einige Längen Abstand zu den zwei schwarzen Ausgeburten der Hölle, die knurrend und mit gefletschten Zähnen auf Braedon zurannten.
Er musste noch einen Moment warten, wenn er die Bestien mit der Armbrust treffen wollte.
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