Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
ihn von Kopf bis Fuß, schaute ihm dann in die Augen und grinste. »Du siehst nicht gut aus.« Er schüttelte ungläubig den Kopf und stieß ein Glucksen aus. »Du siehst wirklich furchtbar aus, aber ich schwöre, seit Jahren war mir kein anderer Anblick willkommener! Komm doch herein!«
Den Mund freudlos nach unten verzogen stand Peg missmutig neben ihrem Ehemann und schien von der herzlichen Einladung nicht besonders viel zu halten. Aber sie liebte Robert und würde ihm nie die Freude vergällen, einen alten Freund wiederzutreffen, auch wenn ihr der Besuch nicht willkommen war. Braedon respektierte ihr Missfallen und hatte nicht die Absicht, Peg weiteren Ärger zu bereiten.
Er hätte die beiden nie mit seiner Anwesenheit belästigt, wäre ihm nicht unerwartet Ariana of Clairmont über den Weg gelaufen. Es behagte ihm nicht, die junge Frau allein in der Stadt zurückzulassen, und Robert würde schon dafür sorgen, dass sie ohne Schwierigkeiten zurück nach Hause gelangte. Was ihn betraf, so erwog er, den Hafen zu verlassen und mit der nächsten Flut in wärmere Gefilde zu segeln.
In einem Winkel seines Herzens ahnte er, dass diese Fahrt womöglich seine letzte sein würde.
»Ich komme für einen Augenblick herein, aber lange kann ich nicht bleiben. Vielleicht eine Stunde, dann muss ich aufbrechen.«
Er hatte dies an seinen Freund gewandt gesagt, aber eigentlich zu Peg gesprochen. Sie sah seinen bedeutungsvollen Blick und trat schließlich zur Seite, um Ariana und ihn hereinzulassen. »Wir haben soeben zu Abend gegessen, aber ein wenig Haferbrei ist noch im Topf. Wenn ihr mögt, wärme ich ihn noch einmal für euch auf.«
Sie schaute Ariana an, die sehr still geworden war, seit sie mit Braedon die Brücke betreten hatte. Die junge Frau sah erschöpft aus. Sie nahm ihre Kapuze und ihre zerrissene Kopfbedeckung ab, die sie nur unzureichend vor dem Schneeregen geschützt hatten. Lange, feuchte Locken ihres einst kunstvoll hochgesteckten Haares hingen ihr nun in die Stirn. Sie zitterte und schwieg bedrückt. Als Peg ihr aus dem durchnässten Mantel helfen wollte, zuckte sie sogar zusammen.
»Ich werde ihn beim Feuer aufhängen, damit er trocknen kann. Gebt mir auch Eure schwere Tasche.«
Unvermutet umklammerte Ariana die Ledertasche, die sie trug. »Nein. Die behalte ich.«
»Wie Ihr wünscht.« Peg schenkte der jungen Frau ein aufmunterndes Lächeln, das verschwand, als sie sich Braedon zuwandte. »Gib mir deinen Mantel«, sagte sie und streckte die Hand aus.
Während er sich des nassen Mantels entledigte und ihn Peg reichte, merkte er, wie sie einen fragenden Blick auf seinen verletzten Arm warf. »Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einigen Männern unten bei den Docks. Nicht weiter schlimm.«
Peg schaute ihn an und schnalzte mit der Zunge. »Nicht weiter schlimm, sagst du, dabei tropft dein Blut auf meinen Boden. Bleib, wo du bist«, befahl sie streng. »Ich werde einige Tücher holen und dir den Arm verbinden. Deine Dame kann dir beim Ausziehen behilflich sein.«
3
Müde und bis auf die Knochen durchgefroren hatte Ariana das Gefühl, die Grenze zu einem fremdartigen, neuen Land überschritten zu haben, das so ganz anders war als ihr Zuhause auf Clairmont. London war in der Tat ein gefährlicher Ort, und abgesehen von ihrem zwielichtigen Begleiter, der sie vor großem Unheil bewahrt und ihr Schutz bei diesen guten Leuten auf der Brücke versprochen hatte, war sie allein hier.
Doch derselbe Mann hatte Ferrand ihren Geldbeutel abgenommen und beanspruchte ihn nun für sich selbst, rief sie sich sogleich in Erinnerung, als das Feuer im Hause des Schusters allmählich ihre Glieder erwärmte.
Dass die Frau des Schusters offenbar davon ausging, sie und dieser Mann – hatte sie ihn Braedon genannt? – hätten irgendetwas miteinander zu tun, riss Ariana schlagartig aus ihrer Benommenheit. Sie sollte ihm beim Entkleiden helfen? Sie achtete nicht weiter auf seinen durchdringenden Blick und eilte stattdessen der Frau nach, die in einen anderen Raum gegangen war.
»Ihr solltet wissen, dass dieser Mann nicht mein … , ich meine, wir sind nicht … «
»Stammt die Verletzung von einem Messer?«
Ariana hob unschlüssig die Achseln. »Ja, ich glaube, es war ein Messer.«
Mit einem missmutigen Laut öffnete Peg eine kleine Truhe und holte ein altes weißes Leinentuch hervor, das sie in mehrere lange Streifen riss. Diese reichte sie Ariana und nahm einen irdenen Tiegel mit Salbe aus einem Regal, auf dem eine
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