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Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin

Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin

Titel: Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Verbandsstreifen aus seiner Hand entgegennahm. Das Schweigen in der kleinen Kammer wurde unerträglich, sodass Ariana schließlich die Stille unterbrach.
    »Als ich noch ein Kind war«, begann sie leise, während sie den sauberen Stoffstreifen um Braedons Unterarm wickelte, »bekam eine unserer Katzen in der Speisekammer neben den Küchenräumen Junge. Ein paar Katzen lebten immer in unserer Küche, damit die Mäuse nicht an die Vorräte gingen, aber mein Vater weigerte sich, sie in den Wohnturm zu lassen. Er hatte seine Jagdhunde – große, bösartige Tiere, die mich zu Tode ängstigten – , aber ich wollte unbedingt ein Kätzchen haben. Ich versuchte ihn zu überreden, doch er ging nicht auf mich ein.«
    Braedons Blick war nach innen gekehrt. Es schien, als würde er sich von seinen eigenen Erinnerungen davontragen lassen, in eine andere Zeit, an einen anderen Ort. »Soll ich raten? Ihr habt beschlossen, trotzdem eine der kleinen Katzen zu behalten«, entgegnete er schließlich.
    »Nein«, sagte sie rasch. »Das konnte ich nicht. Ich habe nie gewagt, meinem Vater nicht zu gehorchen. Aber als die Katzenmutter einige Wochen darauf starb und ihre Kinder hilflos zurückließ, habe ich mich um die Kätzchen gekümmert. Zweimal am Tag – manchmal auch öfter, wenn ich es einrichten konnte – stahl ich mich mit einer Schale Milch und einigen Bissen Fleisch, die ich entwenden konnte, in die Vorratskammer, um die Kleinen zu füttern. Bei einem meiner Ausflüge fiel dem Koch zufällig auf, dass die Tür zur Kammer offen stand. Ehe ich mich bemerkbar machen konnte, hatte er die Tür zugeschlagen und sie von außen verriegelt. Ich hämmerte gegen das Holz, bis mir die Hände schmerzten, aber es nützte nichts. Ich saß in der Falle.«
    »Für wie lange?«
    Ariana runzelte die Stirn, als sie sich an die Dunkelheit und die Kälte in der Speisekammer erinnerte. Stundenlang hatte sie weinend und allein hinter der Tür gehockt und nicht einmal die Hand vor Augen sehen können. Während der ganzen Zeit hatte sie eines der Kätzchen fest in ihrem Arm gehalten. Dann waren da noch die Ratten gewesen. Sie erschauderte, konnte jetzt noch spüren, wie die Tiere ihr über den Rocksaum und die leichten Lederschuhe gehuscht waren. Damals hatte sie nicht gewusst, ob es sich nun um Ratten oder die übrigen Kätzchen handelte, deshalb hatte sie sich nicht getraut, die Tiere mit dem Fuß wegzustoßen. Stattdessen hatte sie ängstlich neben der Tür gekauert, gegen das Holz geschlagen und sich danach gesehnt, wieder ans Licht gelassen zu werden.
    »Ich war zwei Tage lang eingeschlossen.« Zwei Tage, aber die Furcht in jenen Stunden erfasste sie auch jetzt noch, fast zehn Jahre danach. Sie konnte kaum eine dunkle Kammer betreten, ohne dass eine Woge der Furcht über sie hinwegwusch. In der Dunkelheit überkam sie manchmal eine solche Angst, dass ihr das Atmen schwerfiel.
    »Großer Gott«, murmelte Braedon. »Hat sich denn niemand gefragt, wo Ihr abgeblieben wart?«
    »Nein. Es war niemandem aufgefallen, dass ich nicht da war.« Sie setzte eine gleichgültige Miene auf und versuchte so unbefangen wie möglich über die Erfahrung zu sprechen, die sie heute noch schmerzte. »Meine Mutter war schon gestorben, und mein Vater … nun, er war ein viel beschäftigter Mann. Ich vermute, ich hätte eine Woche verschwunden sein können, bis er mein Fehlen bemerkt hätte.«
    Braedon schwieg und betrachtete sie so eindringlich, dass sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Warum hatte sie ihm von diesem demütigenden Erlebnis erzählt? Noch keiner Menschenseele hatte sie sich bislang anvertraut, nicht einmal ihren Freunden auf Clairmont. Allen tat es leid, dass sie ohne Mutter aufwachsen musste, aber Ariana selbst fiel es schwer zuzugeben, dass sie eigentlich auch keinen Vater besaß. Sie war so gut wie unsichtbar auf Clairmont, ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühte, sich nützlich zu machen. Sie wünschte sich, dass man ihr etwas zutraute, ihre Hilfe brauchte.
    Schon so lange trug sie diesen Schmerz nun mit sich herum, aber aus einem unerklärlichen Grund öffnete sie sich jetzt gerade diesem Mann – einem Fremden. Würde auch er den Vorfall mit einem Lachen abtun, so wie ihr Vater damals, als er von ihrem Unglück erfahren hatte? Sie würde vor Scham vergehen, wenn Braedon sie jetzt verhöhnte.
    Doch so weit wollte sie es gar nicht erst kommen lassen. Sie machte eine abfällige Handbewegung und griff nach dem letzten Verbandsstreifen.

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