Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
hatte. Sie rechnete damit, dass er seine Fragen erst einstellen würde, wenn sie ihm auch das letzte Geheimnis verraten hatte. Doch dazu durfte sie es nicht kommen lassen.
Ariana tunkte ihren Löffel in die sämige Soße der Fleischpastete und schob die saftigen Stücke Wildbret und Rindfleisch gemächlich hin und her, während sie über den seltsamen Kurs nachsann, den sie eingeschlagen hatte.
»Esst in Ruhe zu Ende, Madame«, riet Braedon ihr mit einem wissenden Lächeln. »Vielleicht findet Ihr auf dem Grund Eures Tranchierbretts ja eine glaubwürdigere Geschichte.«
Schweigend setzten sie die Mahlzeit fort. Ariana aß nur zögerlich, da der Gesprächsverlauf ihr den Appetit verdorben hatte, während Braedon seine Pastete und das Gemüse verschlang, als würde ihm nichts in der Welt Sorgen bereiten. Kurz bevor sie ihr Abendessen beendeten, wurde der Badezuber hereingebracht. Die Unterbrechung war Ariana nicht weniger willkommen als das Essen vor gut einer Stunde.
Zwei junge Burschen trugen den großen Holzbottich, einer hatte sich zusammengefaltete Leinentücher unter seinen Arm gepresst. Den Burschen folgten vier Mägde, von denen jede einen Eimer mit dampfendem Wasser schleppte. Eifrig und höflich verrichteten die Bediensteten ihre Arbeit, und als sie das Zimmer verließen, bot eine Magd an, das Tablett wieder mit in die Küche zu nehmen.
»Gebt ihnen etwas Geld für ihre Mühe«, sagte Braedon und warf seine Börse Ariana zu, die einige Silberpennies herausnahm. Das Gesicht des Mädchens leuchtete auf, als es das Geld mit einem gemurmelten Dank entgegennahm und in einen ungelenken Knicks sank. Ariana schloss die Tür und wandte sich Braedon zu. Sie war im Begriff gewesen, etwas zu ihm zu sagen, doch das, was ihr eben noch auf der Zunge gelegen hatte, war mit einem Mal vergessen.
Ohne sich an die Gebote der Sittlichkeit zu halten, war Braedon bereits im Begriff, seine Tunika abzulegen. Sein Lederwams, das er schon ausgezogen haben musste, als sie die Mägde zur Tür begleitet hatte, lag neben ihm auf dem Boden. Er schien sich nicht darum zu kümmern, ob Ariana sein Verhalten anstößig fand, als er seinen Dolch zog und die schmale Klinge an einem der Knoten seines Verbands ansetzte. Rasch durchtrennte er das Leinen, wickelte den Verband ab und warf die blutdurchtränkten Tücher ins Feuer.
Die Anstandsregeln verlangten von Ariana, die Augen von seiner bloßen Brust zu wenden, aber sie konnte sich von seinem Anblick nicht losreißen. Sie sah ihn bereits zum zweiten Mal nur halb bekleidet, und eigentlich hätte sie außer sich vor Empörung sein müssen und seinen kraftstrotzenden Körper höchstens heimlich betrachten dürfen. Im warmen Schein des Feuers wirkte seine Haut weich und schimmerte wie mit Bronze überzogen. Ungewollt fasziniert beobachtete sie jede seiner Bewegungen, als er mit seinen schlanken, kräftigen Fingern den Saum seiner fleckigen Tunika packte und das Kleidungsstück entzweiriss. Das Stück, das ihm noch am saubersten erschien, teilte er wiederum mit einem Handgriff und benutzte dann seinen Dolch, um den Stoff in mehrere lange Streifen zu schneiden. Einen davon tauchte er in das Badewasser und drückte ihn über der Wunde aus, um sie zu säubern. Blutfarbene Tropfen rannen von seinem Arm auf den Boden. Ariana sah, dass Braedon das Gesicht verzog, als ihm das heiße Wasser über die Wunde lief.
»Es tut mir leid, dass Ihr verletzt wurdet«, sagte sie noch immer an der Tür stehend. »Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt, dass Ihr mich vor Monsieur Ferrand und seinen Handlangern beschützt habt.«
Er zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich weiter auf seinen Arm. Inzwischen hatte er das geronnene Blut abgewaschen und versuchte nun einen der Stoffstreifen um den Unterarm zu wickeln, wobei er das lose Ende mit dem Ellenbogen an seinen Körper presste und das andere um die Wunde legte. Das Stoffstück verrutschte ein ums andere Mal. Nachdem Braedon wiederholt leise geflucht hatte, verdrängte Ariana ihre Bedenken und nahm ihm den Verband ab.
Erstaunt sah er sie an, während sie die Wunde untersuchte. »Ihr würdet heute Nacht noch nicht weiter sein, wenn Ihr Euch nicht helfen lasst.«
Sie legte den Verband zur Seite, tauchte den Stoff noch einmal ins Wasser und reinigte die Wunde erneut, wobei sie darauf achtete, möglichst vorsichtig zu sein. Die ganze Zeit über fixierte Braedon sie mit seinem Blick, sagte aber kein Wort. Ihre Finger zitterten leicht, als sie einen
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