Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
nach Rouen weiterreisen.
Ein leises Klopfen an der Tür riss sie aus ihren unausgegorenen Plänen. Braedon lächelte sie erwartungsvoll an. »Das wird wohl der Wirt sein. Ich habe ihn gebeten, uns eine Mahlzeit zu bringen. Während Ihr Euren Gedanken nachhängt, könnt Ihr ebenso gut etwas essen.«
Mit wenigen Schritten war er an der Tür und öffnete dem kleinen beleibten Mann. Der Wirt nickte ihnen kurz zu und trat mit einem Tablett mit einer dampfenden Mahlzeit ein. Das Ale schwappte über die Ränder der Krüge, als er das Tablett auf einer Truhe neben dem Bett abstellte. »Wäre das dann alles, Monsieur ?«
»Ein warmes Bad und einige trockene Handtücher, wenn Ihr welche habt.«
»Oui, Monsieur.«
So wundervoll die Aussicht auf warmes Wasser und ein Stück Seife auch war, Ariana wagte sich nicht auszumalen, was Braedon damit im Sinn haben mochte. Es war schon schrecklich genug, dass sie gezwungen war, mit einem Mann, den sie kaum kannte, zu Abend zu essen und obendrein noch eine Kammer zu teilen – vermutlich stand ihr die längste Nacht ihres Lebens bevor. Doch wenn Braedon glaubte, er könne in ihrer Gegenwart auch nur einen bloßen Zeh ins Badewasser tauchen, dann hatte er tatsächlich den Verstand verloren.
Schon standen ihr die Bilder lebhaft vor Augen, wie Braedon das gefütterte Wams und die Tunika ablegen und dann mit nackter Brust vor ihr stehen würde. Es fiel ihr nur allzu leicht, sich seine breiten Schultern und das wölbende Rund seiner Oberarme im Schein des Feuers vorzustellen, und auch den Rest seines muskulösen Körpers konnte sie sich ohne Kleidung ausmalen. Sie erinnerte sich an seinen Anblick im Haus von Robert und Peg, als sie ihm geholfen hatte, den Verband anzulegen. Ihre zügellose Fantasie trieb Ariana die Schamesröte ins Gesicht.
Sie wurde in ihren ungehörigen Gedanken unterbrochen, als sie den metallenen Klang des Türschlosses hörte. Der Wirt hatte die Kammer verlassen und Ariana mit ihrem beunruhigenden Begleiter zurückgelassen. Noch ganz erhitzt von ihren ungebührlichen Vorstellungen beobachtete sie, wie Braedon die Truhe mit dem Tablett näher ans Feuer rückte.
»Nicht unbedingt eine Abendmahlzeit mit sieben Gängen auf der Empore von Clairmont, aber ich denke, es dürfte genügen.«
Der Duft der würzigen Fleischpastete, des frischen dunklen Brots und von mit Kräutern bestreuten Rüben stieg Ariana in die Nase. Sofort begann ihr Magen zu knurren, und zum ersten Mal nach der Übelkeit an Bord der Kogge verspürte sie wieder Appetit. Mit einem Seufzer erhob sie sich vom Stuhl und nahm vor der Truhe auf dem Boden Platz. Sie brach ein Stück von dem Kanten Brot ab, schob es sich in den Mund und kaute den dunklen Sauerteig genüsslich, während Braedon einen Holzscheit im Kamin nachlegte.
»Es schmeckt köstlich«, sagte sie, als er zurückkam und sich gegenüber von ihr an dem behelfsmäßigen Tisch niederließ. Braedon nahm einen Bissen von der Fleischpastete und tunkte ein Stück Brot in die braune Bratensoße. Er schien seinen Zorn auf Ariana vergessen zu haben und konzentrierte sich ausschließlich auf die Mahlzeit. »Die Pastete ist sehr gut«, merkte sie an.
»Ja, ausgezeichnet«, stimmte er zu. »Frankreich übertrumpft England bei Weitem, wenn es ums Essen geht. In Amiens hatten wir einen Koch, dessen gerösteter Fasan so exzellent schmeckte, dass man hätte weinen mögen.«
»Stammt Ihr aus Amiens?«
Er legte den Kopf leicht schief, und sein scharf geschnittenes Gesicht nahm einen zögerlichen Ausdruck an. Für einen kurzen Moment zog er die dunklen Brauen zusammen, dann aber erwiderte er mit einem leichten Achselzucken: »Ja, ich bin dort geboren.«
»Ist Amiens weit von Rouen entfernt?«
»Nicht sehr. Warum?«
»Vielleicht werdet Ihr ja Eure Verwandten besuchen, wenn wir uns in Rouen trennen.« Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er bei ihren Worten in Gelächter ausbrechen würde. »Was ist? Warum lacht Ihr?«
»In Amiens gibt es niemanden, der auf mich wartet, Madame. Ich bin dort geboren, das ist alles.«
»Habt Ihr keine Familie? Weder Eltern noch Verwandte?«
»Nein.« Er dachte einen Augenblick nach und schüttelte dann den Kopf. »Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht. Als ich zehn Jahre alt war, verließ ich Amiens, um Knappe bei einem Herrn in Paris zu werden. Später ging ich nach England, um mein eigenes Leben zu führen. Ich bin nie zurückgekehrt.«
Ariana griff nach dem Ale. »Habt Ihr Euer Zuhause nie
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