Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
verriet seine wahren Gefühle.
»Es ist wahr. Seitdem Ihr die Tasche geöffnet habt, ist ein Wandel mit Euch vorgegangen … «
Er stieß ein Lachen aus, das nichts mit Belustigung zu tun hatte. »Wenn ich mich ein wenig sonderbar verhalten habe, teure Dame, dann vielleicht deshalb, weil man mir wegen der verfluchten Tasche beinahe den Schädel eingeschlagen hat. Und weil ich wieder in etwas hineingeraten bin, womit ich nichts mehr zu tun haben wollte.«
»Wieder hineingeraten?« Sie sah ihn verblüfft an. Unbewusst hatte er etwas von sich preisgegeben. »Wie meint Ihr das, Ihr seid wieder in etwas hineingeraten? – In was?«
Braedon fluchte leise. »Vergesst es einfach. Packen wir unsere Sachen zusammen und brechen wir auf. Da offenbar keiner von uns in dieser Nacht schlafen kann, sollten wir die Zeit sinnvoll nutzen. Vor Tagesanbruch könnten wir weitere zehn, wenn nicht gar fünfzehn Meilen zurücklegen.«
»Braedon«, sagte sie etwas sanfter und ließ sich von seinem bestimmenden Tonfall nicht aus der Ruhe bringen. »Ihr habt gerade gesagt, Ihr seid wieder in etwas hineingeraten, womit Ihr nichts mehr zu tun haben wollt. Was genau habt Ihr damit gemeint? Erzählt es mir. Ich muss es wissen.«
Grollend erhob er sich und entfernte sich einige Schritte vom Feuer. Fast rechnete sie damit, er würde ihre Frage nur mit eisigem Schweigen beantworten oder sie herrisch dazu auffordern, die Sachen zu packen. Stattdessen aber fuhr er sich mit der Hand durch sein dunkles Haar und legte den Kopf in den Nacken. Sein Gesicht hatte er der Felswand aus Granit zugewandt, als er einen schweren Seufzer ausstieß. »Vor eineinhalb Jahren hörte ich zum ersten Mal von dem Drachenkelch. Ein Mann kam zu mir und erteilte mir den Auftrag, einen bestimmten Gegenstand von unschätzbarem Wert ausfindig zu machen, der ihm entwendet worden war. Er bot mir eine Menge Geld, sofern es mir gelänge, diesen Gegenstand aufzufinden. Ich bin sofort auf sein Angebot eingegangen.«
»Ihr wurdet beauftragt, den Drachenkelch wiederzubeschaffen?«
»Einen Teil davon. Der Kelch, der einen einzigartigen Schatz darstellt, besteht angeblich aus vier Einzelteilen. Aus vier goldenen Gefäßen mit jeweils einem Edelstein von großem Wert. Der Legende zufolge sprang der Drachenkelch durch einen geheimen Zauber entzwei, nachdem man ihn aus einem mystischen Königreich entwendet hatte. Ich weiß, dass das alles unsinnig klingt. Ich war der gleichen Meinung, als ich die Geschichte zum ersten Mal hörte. Ob die Legende nun stimmt oder nicht: Es gibt Männer, die vor nichts zurückschrecken, um diesen Schatz in ihren Besitz zu bringen.«
»Und dieser Mann, der Euch einst den Auftrag gab – er ist einer von ihnen?«
»Sein Name ist Silas de Mortaine«, sagte Braedon mit grimmiger Miene. »Er ist sehr gefährlich, verfügt über große Macht und ist äußerst wohlhabend. Zudem ist er zu allem entschlossen. Um jeden Preis wollte er seinen Schatz zurückbekommen. Er versprach mir, die Belohnung sogar noch zu verdoppeln, wenn ich ihm mit dem Kelch die Person auslieferte, die ihn gestohlen hatte.«
»Ward Ihr erfolgreich?«
»Ich fand den Kelch und fasste den Dieb.«
»Und Ihr habt Eure Belohnung erhalten?«
»Oh, sicher.« Er lachte heiser auf. »Ich übergab ihm sowohl seinen Schatz als auch den Dieb, und er gab mir dies hier.« Mit der Fingerspitze zeichnete er die silbrige Narbe auf seiner Wange nach. »Robert war zusammen mit sechs weiteren Gefährten an jenem Tag an meiner Seite. De Mortaine ließ fünf von ihnen auf der Stelle töten und wollte anschließend auch mich umbringen. Seine Schergen hätten beinahe Erfolg gehabt, aber Robert und mir gelang die Flucht.«
»Was geschah mit dem sechsten Mann?«
»Le Nantres? Ihm wurde kein Haar gekrümmt. Zweifellos war er, ohne dass wir es ahnten, de Mortaines rechte Hand, Gott möge ihn strafen. Ihr müsst wissen, dass er es war, der mich ursprünglich mit de Mortaine bekannt gemacht hatte. Die ganze Zeit wusste er, dass es eine Falle war. Nach allem, was ich erfahren habe, legte er den Köder gemeinsam mit de Mortaine aus.«
»Aber wie war das möglich, wenn er doch einer Eurer Gefährten war?«
Braedon zuckte die Schultern. »Wer weiß. Vielleicht war es Habgier. Oder auch er wollte in den Genuss der Macht kommen, die man dem Kelch nachsagt. Menschen haben sich schon von geringeren Wünschen zum Bösen verleiten lassen. Ich hätte den Verrat damals erkennen müssen, aber die Jagd nach dem Kelch hatte
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