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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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brachte er es fertig, ihr die letzten Stunden auf Erden so angenehm wie möglich zu machen. Er betrachtete ihr bleiches, verschmutztes Gesicht und die schäbigen Kleider. Sie sah so aus, als habe sie Wochen im Freien zubringen müssen. Und abermals fragte sich Kenrick, warum diese Frau wie ein Gespenst durch Greycliff geisterte.
    Vielleicht hatte sie Rand und Elspeth gekannt. Vielleicht war sie aber auch nur zufällig hier vorbeigekommen, von Fieberschüben geschüttelt, so, wie sie in dieser Nacht über die Klippen getaumelt war.
    Sollte diese Frau jetzt und hier vor seinen Augen sterben, würde er niemals eine Antwort erhalten. Leider war er kein Heilkundiger, aber selbst die Erfahrungen der Schlachtfelder waren gewiss besser als nichts. Mit äußerster Vorsicht hob Kenrick die Frau auf seine Arme. Schlaff, leblos und bis auf die Haut durchnässt, war sie ein zerbrechliches Geschöpf, das er so vorsichtig hielt wie ein Vögelchen mit gebrochenem Flügel. Zu seinem Leidwesen roch dieses federleichte junge Ding streng nach fauligem Auswurf. Doch trotz des Drecks und des stechenden Geruchs drückte er sie an die Brust und trug sie fort von dem Felsvorsprung auf den Klippen. Eilig lief er über die Wiese zur verlassenen Burg zurück.
    Er brachte sie in die Halle, wo er zuvor ein Kohlenbecken angezündet hatte. Der warme Schein erleuchtete den langen, hohen Raum, in dem Kenrick auch sein Pferd untergestellt hatte, da die früheren Stallungen vollständig niedergebrannt waren. Nun würde der Raum auch als Krankenstube dienen müssen. Kenrick holte die zusammengerollte Decke aus seiner Satteltasche und bereitete mit der dicken Wolle ein notdürftiges Lager auf dem Boden in der Nähe des Feuers. Sacht bettete er die Frau auf die Decke, drehte die Verletzte auf den Rücken und schob ihr seine Lederhandschuhe als Kissen unter den Kopf.
    Die Wunde, die schon im Dunkeln schlimm ausgesehen hatte, stellte sich im Licht des Feuers als bedenklich dar. Das Mieder der Frau war blutdurchtränkt, ebenso ein Teil des Umhangs. Aber die Wunde hatte sie sich nicht auf den Klippen zugezogen, dort war sie lediglich wieder aufgeplatzt, wahrscheinlich bei dem Sturz, dessen Zeuge Kenrick gewesen war.
    Nun löste er die Schleife, die den Umhang am Hals zusammengehalten hatte, und warf das verschmutzte Kleidungsstück zur Seite. Erst jetzt sah er, dass das Mieder des schlichten Kleides mehr Blut aufgesogen hatte, als er befürchtet hatte. Mit einem Seufzer holte Kenrick den Dolch hervor und schob die Klinge unter den rauen Stoff. Mit einem glatten Schnitt durchtrennte er das Mieder und zog den Stoff zur Seite, damit er die Verletzung genauer betrachten konnte.
    Was er sah, verhieß nichts Gutes.
    Alte Kräuter und ein zäher Breiumschlag quollen unter einem schmutzigen Leinenverband an der Schulter hervor – dies war der Grund für den üblen Geruch, den die Frau verströmte. Auch die Ursache des Fiebers war sofort augenfällig, denn die zuvor glatte, reine Haut wies nun die rötlichen Male einer Entzündung auf.
    Die schwärende Wunde hatte sich mittlerweile von der verletzten Schulterpartie bis zur Brust ausgebreitet, sogar den Arm hinab. Kenrick fluchte, als er in die Hocke ging und das eingefallene Gesicht der Kranken betrachtete.
    Die Frau lag vollkommen reglos da, nicht einmal ihre Lider zitterten. Halbmonden gleich berührten die dunkelbraunen Wimpern die hohen Wangenknochen.
    Am besten wäre es, er brächte sie ins Dorf hinunter und erkundigte sich dort, ob sie Verwandte hatte. Vielleicht könnten die Dorfbewohner sie besser versorgen als er und sich ihrer bis auf Weiteres annehmen. Aber womöglich war für einen solchen Ritt gar keine Zeit mehr. Es mochte beinahe Mitternacht sein, das Dorf lag einige Meilen landeinwärts; zu so später Stunde würde er wahrscheinlich keine Hilfe mehr finden. Gott stehe ihr bei, so war er der Einzige, der ihr noch helfen konnte.
    Er brauchte mehr Licht, um sauber arbeiten zu können. Daher erhob er sich, holte ein Talglicht von der Empore am anderen Ende der Halle und entzündete es an dem Feuer im Kohlenbecken. Kenrick kniete sich neben die Frau und entfernte den schmutzigen Verband. So gut es ging, säuberte er die Wunde, wischte das Blut und die vertrockneten Kräuter weg, die bereits mit der Wunde verklebt waren. Vorsichtig tastete er den Rand der Verletzung ab, um zu prüfen, wie tief die Wunde war. Jetzt, da die Frau bewusstlos dalag, konnte er auch die Haut berühren, ohne große Schmerzen zu

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