Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
»Ich glaube, das wird nicht nötig sein. Niemand wird mich hier suchen. Nicht jetzt.«
»Aber wenn du, wie du sagst, zu einem Schattendasein verdammt bist … «
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Einen Sterblichen dieser Welt zu lieben, bedeutet gemäß unserem Recht, als Schatten leben zu müssen, das ist allerdings wahr. Doch das geschieht höchst selten. Ist man jedoch kein Schatten mehr, droht einem kein Ungemach. Meines Wissens ist dies noch keinem Gestaltwandler widerfahren, der in dieser Welt blieb.«
»Aber was bist du dann, wenn du dein Schattendasein jetzt überwindest?«
Als ihr bewusst wurde, was für ein außergewöhnliches Geschenk ihr Kenrick gemacht hatte, schien ihre Freude keine Grenzen zu kennen. Sie sah den Mann an, der ihr alles bedeutete, und ein tief empfundenes Glück ließ ihre Augen erstrahlen. »Wenn sich jemand aus meinem Volk in einen Sterblichen dieser Welt verliebt und diese Liebe erwidert wird, dann wird aus dem Schatten ein Geschützter.«
»Ein Geschützter?«
Haven lächelte. »Ja. Es gibt keine Magie der Gestaltwandler, die uns jetzt noch schaden könnte. Wir sind tatsächlich in Sicherheit, ebenso wie alle anderen, die uns in dieser Burg am Herzen liegen. Du liebst mich. Und das ist das wahre Wunder, das sich in Glastonbury ereignet hat. Die Liebe ist, wie dir jeder Weise bestätigen würde, stärker als der mächtigste Zauberspruch … stärker sogar als der Drachenkelch.«
»Nichts soll von nun an mehr zwischen uns kommen, Haven. Niemals wieder.«
»Mein Geliebter«, wisperte sie, küsste ihn und drückte ihn an sich.
»Ich würde dir noch mehr geben, Haven, wenn du es noch haben möchtest. Etwas, das ich dir bereits versprochen habe, wenn ich mich recht entsinne, obgleich ich es galanter hätte vorbringen können.«
Haven war leicht verwirrt, zitterte aber vor Aufregung, als sie zusah, wie sich Kenrick langsam auf ein Knie abstützte. Er nahm ihre Hand in seine Hände und hauchte Küsse auf ihre Fingerspitzen.
»Meine wahre Liebe. Meine einzige Liebe … meine wunderschöne, bezaubernde Haven aus Anavrin. Du bist mein Herz, der Quell meines Glaubens und meines Glücks. Willst du – und ich bitte dich darum, meine Schöne – willst du mir die Ehre zuteilwerden lassen, dich als meine Braut vor den Altar zu führen?«
»Ja«, seufzte sie, glitt aus dem Bett und schlang die Arme um ihn. »O ja, Kenrick, das will ich.«
Sie weinte, als er sie küsste, und der salzige Geschmack ihrer Tränen vermischte sich mit der Wärme seiner Lippen. Das Herz ging ihr vor Freude über, und jede Faser ihres Körpers war von der feurigen Magie der Leidenschaft durchdrungen, die sie miteinander teilten.
»Also wirklich, welch ein schöner Anblick!«
Sie lösten die Umarmung nur leicht, um einen Blick zur Tür des Gemaches zu werfen, wo jetzt Ariana und Braedon standen. Beide lächelten. Arianas Lächeln war schwärmerisch, Braedon hingegen sah eher so aus, als sei er zufrieden, dass er nicht der einzige Mann war, der von einer ganz besonderen Frau geblendet wurde.
»Vielleicht erfahren wir ja jetzt, was sich auf Glastonbury Tor wirklich ereignet hat«, sagte Ariana, und Freude ließ ihr Gesicht erstrahlen, als Braedon den Arm um sie legte.
»Aye«, stimmte ihr der dunkelhaarige Ritter zu und warf einen kurzen Blick auf Kenrick. »Der Burgherr hier hat ja kaum ein Wort gesprochen. Er hat nur zwei Tage lang neben dem Bett gesessen.«
»Haven bedeutet mir alles.«
»Mehr als deine Suche nach dem Drachenkelch?«
Ohne den Blick von Haven zu wenden, antwortete Kenrick seinem Schwager: »Mehr als alles andere.«
Braedon stieß einen Seufzer aus. »Seht Ihr, womit wir uns begnügen mussten, Lady Haven? Er hat uns lediglich die wichtigsten Dinge anvertraut: Vorimasaar wurde gefunden, ihr drei seid knapp mit dem Leben davongekommen, und gerade jetzt segelt Randwulf of Greycliff nach Schottland, um den letzten Kelchstein zu finden.«
»Mit Gottes Hilfe wird er ihn rasch aufspüren und den verfluchten Kelch zerstören, ehe Silas de Mortaine ihn einholt«, meinte Kenrick. »So haben wir es besprochen, als wir uns auf dem Tor trennten.«
Haven sah, wie besorgt Kenrick um seinen alten Gefährten war. Aber auch Zweifel lagen in seinem Blick. Rand war so zornig, sein Herz schien so voller Hass, da man ihm seine geliebte Familie genommen hatte. Haven würde sich womöglich ihr Leben lang Vorwürfe machen, nicht ganz schuldlos an der Tragödie zu sein, obwohl Kenrick ihr vergeben hatte –
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