Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
Vom Netzwerk:
wegzulocken, an der die kleine Stichwaffe lag. Der Dolch war seine einzige Chance, es sei denn, es gelänge ihm, dem stämmigen Söldner das Schwert im Ringkampf zu entwinden. Abermals duckte er sich, als die Klinge zischend die Luft durchtrennte, nutzte den Moment, den sein Widersacher brauchte, um die schwere Waffe erneut anzuheben, und fand die Lücke in der Deckung des Untiers. Mit der Schulter zuerst rammte Rand den Gestaltwandler, der das Gleichgewicht verlor und rücklings in das Dickicht stürzte.
    Keinen Moment ließ er das Schwert seines Widersachers aus den Augen. Das Geschöpf riss den Arm hoch, sodass die lange Klinge die Schierlingsgewächse durchtrennte. Einen Kriegsruf auf den Lippen, machte Rand einen Satz nach vorn und schlug dem Gestaltwandler mit der Faust hart ins Gesicht. Dann griff er nach dem Schwert und riss es dem Geschöpf aus der Hand. Blitzschnell richtete er sich wieder auf, den Knauf mit beiden Händen umfassend, und hob das Schwert.
    »Zur Hölle mit dir und dem Rest eurer Brut«, grollte er und trieb dem Gestaltwandler die Klinge ins Herz.
    Das Tier zuckte unter dem tödlichen Stoß zusammen. Dunkel schimmerten seine grässlich verzerrten Züge, verwandelten sich von einem Wolf in einen Menschen. Die Pupillen in den gelben Augen weiteten sich, als der Tod das Untier ereilte. Zischend entwich ihm der letzte Atemzug, dann regte sich de Mortaines Scherge nicht mehr.
    Mit einem Fluch richtete sich Rand auf. Einen Stiefel auf die Brust des Toten drückend, zog er das Schwert aus dem massigen Leib.
    »Rand«, keuchte Serena hinter ihm. »O Gott! Rand … noch nie hatte ich solche Angst!«
    Sie lief zu ihm und schlang die Arme um seine Taille. Rand war zu angespannt, um die Umarmung genießen zu können. Ihm genügte die Gewissheit, dass Serena unverletzt war. Wie leicht hätte er sie an diesem Tag verlieren können; allein dieser Gedanke erfüllte ihn mit Zorn und Furcht.
    Dann erst merkte er, dass sich sein Gesicht feucht anfühlte. Voller Ungeduld wischte er darüber und sah, dass seine Finger von dem Blut des Gestaltwandlers scharlachrot waren. Er starrte auf seine Hände, ehe er den Blick über das Blutbad schweifen ließ, das er in seinem Zorn angerichtet hatte.
    »Dies«, sagte er nach einer Pause und schaute verbittert auf die Klinge, »ist meine wahre Bestimmung. Verstehst du das jetzt? Dies ist das, was ich tun muss, bis auch das letzte dieser Geschöpfe vernichtet ist … und der Mann, der sie befehligt.«
    Sie erwiderte nichts darauf, doch ein hoffnungsloser Ausdruck beherrschte ihre Augen – nun hatte sie das Ausmaß seiner Aufgabe erfasst. »Du blutest«, sagte sie und streckte die Hand nach der brennenden Wunde an seiner Schulter aus. »Komm, Rand. Lass dich von mir versorgen.«

22
    »Geht es dir gut?«, fragte Rand und achtete nicht weiter auf seine blutenden Wunden, während Serena Wasser in eine Schale füllte und Tücher holte, um sich der Verletzungen anzunehmen. »Wenn ich daran denke, dass dich dieses Untier mit seinen Pranken angefasst hat … «
    »Mir geht es gut«, versicherte sie ihm zum dritten Mal, seitdem sie die Hütte erreicht hatten. »Ich gebe zu, dass ich noch zittere, aber mehr ist es auch nicht. Du bist derjenige, der versorgt werden muss. Und jetzt setz dich hin.«
    Er gehorchte und ließ sich schwer auf den Schemel fallen, den sie vor das Herdfeuer gezogen hatte. Serena tauchte die Hände in das warme, mit Kräutern versetzte Wasser und wrang das kleine Leinentuch aus. Vorsichtig säuberte sie die Wunden an seinen Armen. Sie sahen genauso aus wie die tiefen Risswunden, die Rand in dem Sturm davongetragen hatte: vier Risse nebeneinander, wie von einer Raubtierpranke. Die älteren Wunden hatten noch schlimmer ausgesehen und waren inzwischen fast verheilt; doch diese Verletzungen erschütterten Serena mehr, da Rand den Tod in Kauf genommen hatte, um ihr das Leben zu retten.
    Seine Haut fühlte sich unter ihren bloßen Händen warm an, und sowie sie ihn berührte, brodelte die Ahnung in ihr mit dem Widerhall seines Zorns, der noch immer in ihm schwärte. Serena strich ihm mit beruhigenden Bewegungen über die Arme und verteilte Küsse auf die starken Hände, die sie an diesem Tag gerettet hatten. Rand hob ihr Kinn mit einer Hand an.
    »Auch wenn ich hundert Jahre leben sollte, werde ich nie verstehen, womit ich diese Zärtlichkeiten verdient habe.«
    Serena fuhr mit den Fingern über seine zerfurchte Stirn und strich die dunkelbraunen Strähnen zur Seite.

Weitere Kostenlose Bücher