Der Kelim der Prinzessin
»Meine Leute ließen ihn gern gewähren - und was macht der Schurke mit seinem riesigen Schwert?!« Der General starrte puterrot mit anschwellendem Hals auf Yves, der ihn auch noch herausfordernd angrinste. »Mit einem furchtbaren Hieb trennt er dem verdammten Emir nicht nur den Arm, sondern auch den Kopf ab!«
Erschüttert zeigte sich eigentlich nur die Dokuz-Khatun, während sich Yeza anmutig vor dem Schnaubenden verneigte. »Ich danke Euch, General, für die gelungene Schilderung dessen, was sich in Eurem Quartier -
verborgen vor den Augen aller - abspielt.« Sundchak glotzte sie an, kaum noch schnaubender Stier, eher wie ein tumber Ochse. »Es unterstreicht - mehr als es meine schwachen Worte vermögen - die grundsätzlichen Bedenken des Königlichen Paares!«
277
Am Einlass zum Prunkzelt des Il-Khan entstand Unruhe, gedämpfte Rufe wurden laut. »Ein Iltschi!«
Yezas Blick wanderte wie der aller anderen zum Eingang, ein Staatsbote aus dem fernen Karakorum verhieß selten Gutes. Die Wachen beeilten sich, dem vom Ritt verschwitzten, staubbedeckten Kurier den Weg zum Il-Khan zu bahnen, ein Iltschi hatte stets das Recht auf freien Zugang und auf jede Art von Hilfestellung, wo immer er sich im Reiche der Mongolen befand. Der im ledernen Wams gekleidete Mann, über dessen Nacken noch die Standarte hinausragte, trat vor Hulagu, zerrte das Schreiben aus seiner Kuriertasche und überreichte es. Der Il-Khan überflog es, zögerte, den Inhalt bekannt zu geben, und überließ es dann Kitbogha. Der warf nur einen kurzen Blick darauf, und ein Schatten fiel über sein faltiges Antlitz. Es wurde still im Zelt.
»Der Großkhan ist tot«, verkündete Kitbogha mit tonloser Stimme. Schweigend und gesenkten Hauptes verließen alle den Raum. Nicht, dass der Tod des Herrschers im fernen Karakorum sie derart betroffen machte, aber wer zur Spitze der mongolischen Heeresführung gehörte oder sich mit den Gepflogenheiten der Mongolen auskannte, der wusste, dass diese Nachricht den gesamten Heereszug infrage stellte. Nichts war mehr wie zuvor.
278
DIE SCHLANGE AUS DER TIEFE
»CAPUT DRACONIS« -DIE VERSCHWÖRER
VOR ROC TRENCAVEL und seinem Zusammengewürfelten Haufen dehnte sich das hügelige prächtige
Damaskus. Der Baouab beschwor seinen neuen Herrn fast flehentlich, ihn vorauszuschicken, damit für einen würdevollen Empfang durch die noch ahnungslose Stadt gesorgt sei. Roc ließ dem eifrigen Hofbeamten seinen Willen, zumal mit ihm auch die Karawane ziehen und so der leidige Kelim aus seinen Augen verschwinden würde. Er gab ihm die fünf armenischen Ritter zur Seite. Josh der Zimmermann und David der Templer vergaßen auf der Stelle ihr Versprechen, zukünftig nicht länger sklavisch an ihrer Spielunterlage zu hängen.
Ohne auch nur einen Augenblick der Scham oder Reue zu empfinden, folgten sie dem Tross wie zwei alte Straßenköter dem Knochen an der Schnur. Rog sah es, und es stimmte ihn traurig, aber er sagte nichts. Auch, dass Ali sich dem Zug anschloss, entging ihm nicht. Da er und seine Freunde den ägyptischen Sultansspross wie stinkende Luft behandelten, kam der Trencavel auch nicht auf die Idee, Ali etwa daran zu hindern. »Ich traue diesem Mamelucken nicht!«, bemerkte Berenice besorgt, die neben ihm stand und der das verstohlene Sich-Davon-schleichen nicht entgangen war. »Er hat Augen wie eine Viper!« Rog schürzte verächtlich die Lippen.
»Aber keinen Giftzahn!« Ihr Blick hätte ihm gezeigt, dass sie anderer Meinung war, doch den fing der Trencavel nicht mehr auf.
Das Vorauskommando wurde bereits am Bab as-Saghir von herbeigeströmten Einwohnern der Stadt neugierig empfangen. Sie erkannten sofort in der Karawane diejenigen, die schmählich mit dem Sultan Damaskus verlassen hatten. Dass sie jetzt mit einer monströsen Teppichrolle beladen und als Vorboten eines fremden 28l
Königs heimkehrten, versetzte die Leute in Unruhe und Erstaunen. Von der Zitadelle war der Kommandant der dort ausharrenden Garnison herbeigeeilt. Während der Baouab mit dem Kelim sofort weiterzog zum Palast, Josh und David im Schlepptau, suchte Ali die Freundschaft des Kommandanten, indem er sich als treuer und loyaler Mitstreiter des Trencavel ausgab, den er sogleich als liebenswerten Träumer und schwachen König hinstellte, mit der Folge, dass alle notwendige Tatkraft zwangsläufig auf seinen Schultern laste. Aber er wäre der Mann, dem das Schicksal der Stadt mehr noch als alles andere am Herzen läge! Der Kommandant, der so viel
Weitere Kostenlose Bücher