Der Kelim der Prinzessin
an Zuspruch lange hatte vermissen müssen, war tief beeindruckt, er sah in Ali eine verwandte Seele, die große Verantwortung zu tragen hatte, doch nur wenig Dank empfing. Gerührt übergab er Ali den Kampfelefanten des An-Nasir, damit er das Tier dem neuen Herrscher andiene, wenn er in die Schlacht gegen den Feind auszöge, gegen die heranrückenden Mongolen. Ali versprach ihm, dafür zu sorgen, bestätigte den guten Mann in seinem Posten als Befehlshaber der Zitadelle und schickte die fünf Armenier, die von der Unterhaltung schon mangels Interesse wenig mitbekommen hatten, hinter dem Baouab her, damit sie den würdigen Empfang des Trencavel vorbereiten halfen. Er musste sie loswerden, denn es blieb ihm nicht mehr viel Zeit, wenn es ihm noch gelingen sollte, sich anstelle Rocs zum Herrscher von Damaskus aufzuwerfen.
Die Stallungen des Elefanten waren in den Gewölben des früheren römischen Theaters untergebracht, das an der Decumana lag, der großen Prunkstraße, die Damaskus von West nach Ost durchlief. Zerstreut ließ sich Ali von den Wärtern den Dickhäuter zeigen, denn seine Gedanken kreisten einzig und allein um einen Weg, der ihn seinem Ziel näher bringen sollte. Es fiel ihm nichts ein. Den gewöhnlichen Meuchelmord, einen raschen Dolchstoß, den konnte er selbst mit Sicherheit kaum überleben, die Okzitanier würden ihn auf der Stelle in Stücke hacken. Assassinen zu dingen, dazu fehlten ihm die Zeit und vor allem entsprechende Verbindungen, über die er in dieser fremden Stadt nicht verfügte. Es blieb nur noch musiba, ein »Unglück« von der sauberen Art, dass ihm keine Schuld nachzuweisen wäre!
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Der Baouab hatte den Kelim auf dem Großen Platz zwischen Moschee und Palast ausrollen lassen. Dies schien ihm der geeignete Ort, den Damaszenern Gelegenheit zu bieten, der Inthronisierung beizuwohnen. Diese hatte für ihn selbstverständlich inmitten dieses prunkvollen Teppichs stattzufinden, bevor der dann im Innern der Omayyad-Moschee, vielleicht vor dem Schrein Johannes' des Täufers, in Erinnerung an das Ereignis seinen Ehrenplatz finden könnte. So hatte sich der Baouab das gedacht, und er fand es ausgesprochen unangebracht, dass sich Josh der Zimmermann und David der Templer ausgerechnet an der Stelle niederlassen wollten, wo er sich den noch zu errichtenden Thron vorstellte. Die beiden trollten sich, schließlich fehlte ihnen nicht nur der vierte, sondern schon der dritte Mann. Auf Ali würden sie notfalls zurückgreifen können, ansonsten müssten sie die Ankunft der Okzitanier abwarten, wenn sie bis dahin keine andere Lösung für ihren fehlenden Mitspieler gefunden hatten. Sie zogen los, durch die engen Gassen der Soukhs zum römischen Theater, wo sie Ali zum letzten Mal gesehen hatten, als der Kommandant der Zitadelle die in der Stadt eingetroffene Vorhut begrüßte.
Während sie aufmerksam die überdachten Gänge des Bazars durchstreiften, glaubte David plötzlich William von Roebruk in der Menge gesehen zu haben. Das war natürlich eine unerwartet glückliche Fügung, den
Franziskaner möglicherweise als Mitspieler zu gewinnen. Sie trennten sich hastig, David , um Williams habhaft zu werden, Joshua, um jetzt umso energischer den vierten Platz mit Ali zu besetzen.
Aus dem Dunkel der Gewölbe löste sich eine hinkende Gestalt. Es war Naiman, der Agent des Sultans von Kairo, eine Figur, die Ali sofort einen gehörigen Schrecken einjagte, hatte sie doch beim gewaltsamen Tod seines Vaters die Finger mit im Spiel gehabt. Seine Hand zuckte zum Dolch, aber Naiman hob beschwichtigend beide Arme.
»Zerbrecht Ihr Euch das dunkel gelockte Haupt, Ali, wie es mit der Krone von Damaskus zu schmücken sei?«
Naiman blieb höhnisch grinsend ob der gelungenen Überraschung im Schatten des nächsten Pfeilers und im gebührenden Abstand zum Dolch des er-283
regten jungen Mannes. »Der Trencavel muss weg!«, raunte der Geheimagent dem jungen Manne zu. »Das königliche Pärchen, das die Mongolen der Welt ins warme Nest setzen wollen, muss gewürgt werden, bevor die Brut -« Naiman hielt inne, weil er glaubte, eine ihm verdächtige Gestalt hinter den Stallungen herumschleichen gesehen zu haben, doch Ali wischte seinen Argwohn beiseite.
»Die Leute hier sind wissbegierig auf alles, was wir im Schilde führen könnten.« Er betrachtete deprimiert den Elefanten, der ungerührt sein Grünzeug verschlang. »Dabei verfüge ich nicht einmal über den Ansatz eines Planes«, klagte er freimütig, »wie ich den
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