Der Kelim der Prinzessin
felsige Hochebene, die von den Gebirgsketten des Libanon begrenzt wurde. Die zehn Ritter aus Antioch waren ebenfalls sofort mit von der Partie, als Terez sie aufforderte, der Langeweile auf der Burg zu entrinnen und lieber zu schauen, ob sie nicht irgendwo Beute machen könnten, um den Küchenzettel etwas zu bereichern. Dem Grafen von Foix ging es uneingestanden eher darum, den Tod seiner Berenice zu vergessen, und deswegen konnte er auch Rogs Gegenwart nicht mehr ertragen, der sich - Terez meinte es als Einziger zu wissen - mit der Frau des Gastgebers eingelassen hatte, als sei nichts geschehen. Der hochaufgeschossene Recke überlegte ernsthaft, ob er nicht dem Trencavel den Dienst aufkündigen sollte. Der eigentliche Beweggrund, weswegen er und seine Kumpane Rog bisher Gefolgschaft geleistet hatten, war, ihn bei der Suche nach Yeza zu unterstützen.
Doch davon
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war nicht mehr die Rede - von glorreichen Heldentaten ganz zu schweigen. Ganz im Gegenteil!
Ziellos zog der kleine Haufen im Zickzack durch das karge Land, nirgendwo wollte sich lohnender Fang zeigen, es zeigte sich überhaupt niemand, keine schwer bepackte Kamelkarawane, keine durchreisenden Kaufleute, die man um ihre Beutel erleichtern konnte, niemand! Sie wollten schon umdrehen, da erblickte Terez eine Schafsherde, groß genug, um von etlichen Schäfern gemächlich über die Ebene getrieben zu werden. Das entsprach zwar keineswegs dem, was er sich an Abenteuer, Kampfund Beute erhofft hatte, aber die
herausfordernd blökenden Tiere versprachen reichlich schmackhaftes Fleisch, und selbst das Fell konnte man ihnen noch über die Ohren ziehen. Der Graf von Foix versicherte sich mit raschem Blick der Zustimmung seiner Gefährten. Sie dachten wohl wie er, besser ein fetter Hammel am Spieß, als schmählich mit leeren Händen zurück nach Beaufort. Terez gab das Zeichen zum Angriff. In breiter Formation, die sich zur Zange öffnete, preschten sie auf die wenig beeindruckten Schäfer los, nur die Hunde bellten. Den Ältesten griff sich der Foix und machte ihm klar, dass sein Leben nun davon abhinge, wie rasch ihn seine Füße in die vorgegebene Richtung trügen, ohne dass er dabei eines seiner Tiere verlöre. Der Alte begriff schnell. Anscheinend war es den Schäfern egal, für wen sie die Herde trieben. Das einzig Unangenehme war, dass sie jetzt hurtig über Stock und Stein springen mussten - ähnlich wie ihre Böcke und Lämmer. Dafür sorgten die Ritter, die hoch zu Ross das wogende Feld aus brauner und schwarzer Wolle vor sich herjagten. Welch mannhaftes Abenteuer! Von ihren Rüstungen arg geschunden, verfielen sie erst in schonenden Trab, als sie schon die Silhouette von Beaufort vor sich aufragen sahen.
Auf der Burg im ansonsten leeren Rittersaal hockten Guy de Muret, der dicke Pons und David der einarmige Templer um den einzigen Tisch und starrten abwechselnd erwartungsvoll hin zur Tür und missbilligend auf den leeren Platz. Ihr vierter Mann, der Burgherr selbst, hatte sich ums andere Mal entschuldigt, und ohne ihn war 365
schlecht spielen. Die Stäbchen-Pyramide hatten sie längst wieder errichtet, David, nach dem schmerzlichen Verlust des Kabbalisten nunmehr der dienstälteste Spieler, betrachtete den akkuraten Bau mit sinkendem Wohlgefallen. Was nützte alle Perfektion, wenn das liebevoll aufgeschichtete Gebilde nicht seiner Bestimmung zugeführt werden konnte, dem für jeden Spieler so spannenden Abbau der Stäbchen, dem beherzten Griff in das vom Schicksal bereitgehaltene Los? Sie warteten, gähnten, aber sie hielten aus.
Im obersten Turmzimmer des mächtigen Donjon saß Roc sprungbereit und längst wieder in seinen Kleidern auf der Bettkante der armenischen Johanna, dem Eheweib des Hausherrn. Das schöne Weib vor ihm lag nackt, schamlos nackt! Nicht einmal das verknitterte Laken zog sie über die Blöße ihres weißen Fleisches.
»Fürchtet Ihr Euch nicht, von Eurem Mann entdeckt zu werden?«, versuchte Roc ihr einzureden, ihn aus dem klammernden Griff in sein Gemachte zu entlassen.
Sie sah ihn aus ihren Katzenaugen an. »Weniger als Ihr, Trencavel!«, statt ihre Krallen von seiner Maus zu lösen, spielte sie mit dem Tier in seiner Hose. »Julian erspart sich seit langem die Last der Eifersucht ebenso wie die Mühen ehelicher Pflichten«, wie um ihre Worte zu unterstreichen, verstärkte Johanna das spielerische Bemühen, ihr Opfer wieder zu sprießendem Leben zu erwecken. »Ich bekomme keine Kinder«, erklärte sie leichthin, ließ aber
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