Der Kelim der Prinzessin
Gefolge der Prinzessin Yeza. Dazu gehörte - außer der Kammerfrau Alais - auch meine Wenigkeit. Ich hatte keine besondere Aufgabe, als frommer Beichtvater hatte ich mich nie gesehen, obgleich Yeza jetzt des seelsorgerischen Beistandes mehr bedurfte denn je. Sie wurde gegen ihren Willen in dem Zug mitgeführt und betrachtete ihre Sänfte eher als schaukelnde Kerkerzelle, als dass sie darin einen Komfort für die beschwerliche Reise sah. Wie gern hätte sie auf dem Rücken eines Pferdes Platz genommen, doch das hatte man ihr wohlweislich verwehrt. So hockte Yeza missmutig in ihrem Gehäuse auf einem der Kamele, die ihre wenige Habe in den Satteltaschen transportierten. Allerdings hatte die fürsorgliche, ja fast mütterliche Alais noch schnell vor der Abreise auf dem Bazar von Damaskus die Garderobe der Prinzessin aufgebessert, da sie mit Recht davon ausging, dass in der Einöde dieses Urmiah-Sees kaum
Einkaufsmöglichkeiten bestanden, zumindest keine für feine Roben aus Damast und Musselin, wohlriechende Essenzen ebenso wenig wie ziselierte Kämme und Broschen. Auch an seidene Kissen und samtene Decken hatte die gute Seele gedacht. Doch Yeza tat keinen einzigen Blick in die geflochtenen Körbe und gefütterten Reisetruhen, sondern trug weiter ihre ausgewaschenen Leinenhosen und ihr abgewetztes Lederwams, wie sie es gewohnt war. Überhaupt erntete die weichherzige Alais wenig Dank dafür, dass sie ihre komfortable Stellung am Hofe von Antioch der Fürstin Sybille Knall auf Fall aufgekündigt hatte, um der Prinzessin zu dienen.
Auch meine Teilnahme - ich war gar nicht erst lange gefragt worden - wurde von der Prinzessin weder anerkennend noch ablehnend aufgenommen, dabei empfand ich diese Reise in die Wüste durchaus als großes Opfer, das ich nur brachte, um ihr nahe zu sein. Einem Leben in Damaskus hätte ich gewiss den Vorzug gegeben, aber mein Schicksal schien mit dem meiner kleinen Könige, die ich einst auf den Knien schaukeln durfte, unauflösbar verbunden. Ganz am Ende schritten die achtundzwanzig Tiere, denen es oblag, die Teppichrolle zu transportieren. Yeza, die auf der Mitnah-373
me des Kelims bestanden hatte, wünschte nicht, ihn vor der Nase zu haben. Der Einzige, den Yeza gern in ihrer Nähe sah, war der Knabe Baitschu. Er heiterte sie auf, und seine Wissbegierde amüsierte sie. Baitschu sah sich als ritterlicher Knappe seiner verehrten Prinzessin, und wir ließen ihn gewähren.
KAUM EINEN TAG nachdem Rog und die Seinen entschwunden, da füllte sich der Burghof von Beaufort mit Wagen und Karren, die aus der Umgebung herbeiströmten, worunter auch viele Flüchtlinge aus Damaskus waren, die den Mongolen nicht wohlgesonnen waren oder sie fürchten mussten. Dazu trafen jetzt nach und nach die Krieger der Hirtenclans ein, bis an die Zähne mit Knüppeln, Steinschleudern und Dolchen aller Art bewaffnet
- sicher nicht die beste Art, Wohlgerüsteten Mongolenkriegern zu begegnen, aber ihre Kampfeslust und die genaue Kenntnis ihrer schroffen Weidegründe würden es wohl wettmachen. Auch verschiedene
Beduinenstämme hatten Kämpfer geschickt, darunter zahlreiche Bogenschützen, die es mit den Mongolen gern aufnehmen wollten.
Julian besah sich aufmerksam seine Heerschar, dann wählte er mit Bedacht etliche bartlose Jünglinge aus, die er in die Burg schickte, damit sie dort von den Frauen unter der Aufsicht der rührigen Johanna zu Haremsdamen verkleidet würden. Das gab erst viel Gelächter und einiges Murren unter den Betroffenen, aber Julian gelang es, den jungen Burschen klar zu machen, dass Wesentliches beim Gelingen seines Plans von ihnen abhing. Um sie nicht vorzeitig dem Spott ihrer Gefährten auszusetzen und so zu entmutigen, ließ er sie in ihren Roben bis zum Abmarsch im Rittersaal warten und gut bewirten. Danach kamen die Älteren an die Reihe. Sie wurden zu
>reichen Kaufleuten< hergerichtet. Alle anderen wurden entsprechend ihren jeweiligen Aufgaben des Hinterhalts eingeteilt, und die verschiedenen Gruppen dieser weitaus größten Streiteinheit, bestehend aus den Hirten und Beduinen, wurden eine nach der anderen losgeschickt. Als Szenarium für die entscheidende Begegnung mit den Mongolen hatte man sich auf
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die Ruinen von Baalbek geeinigt. Diese Tempel waren allen bestens bekannt, dorthin wollte man die Mongolen locken. Das zehnköpfige Ritteraufgebot aus Antioch vergaß alle Müdigkeit, als sie hörten, dass reiche Beute winkte, und sie stellten sich Julian zur Verfügung. Weggewischt
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